Seit 1998 ist Hörmann in China vertreten, mittlerweile mit Niederlassungen in Peking und Tianjin. Dirk Fell, aktueller Geschäftsführer, und sein Nachfolger in spe Jochen Nippel geben Einblicke in die Besonderheit von Geschäftsbeziehungen im asiatischen Raum.
Sind sich Europäer und Chinesen ähnlicher als oft behauptet, oder treffen die althergebrachten Stereotypen zu?
Im modernen China trifft das von Konfuzius geprägte Image des ruhigen und ausgeglichenen Chinesen überhaupt nicht zu. Viele Chinesen sind von einer permanenten Ungeduld getrieben. Dementsprechend dynamisch ist die Entwicklung hier. Zutreffend ist, dass Chinesen oft gute Kaufleute und harte Verhandlungspartner sind.
Welchen Einfluss haben die sozialen und kulturellen Unterschiede auf die Geschäftsabläufe der Zuliefererindustrie?
Man muss schnell entscheiden, offen für Veränderungen und flexibel sein. Ein unterschriebener Vertrag heißt nicht unbedingt, dass er erfüllt wird, sondern er wird als Grundlage des weiteren Geschäftsverlaufs gesehen. Sehr oft spielen Dinge von außen eine Rolle: Sei es, dass eine Produktion gestoppt wird oder Lieferungen nicht möglich sind. Das macht die Berechenbarkeit der Zulieferung zeitweise sehr schwer.
Was sind die größten Unterschiede bei den Geschäftsabläufen zwischen China und Europa?
Die Rolle des Architekten in China ist komplett anders. Das muss man als Zulieferer wissen und berücksichtigen. Der Architekt ist reiner Dienstleister und kein kreativer Entscheidungsträger. Er beugt sich hier komplett dem Willen des Bauherrn. Renommierte europäische Architekten tun sich mit diesem Ansatz meiner Erfahrung nach recht schwer. Die Zulieferer müssen sich auf den chinesischen Geschmack und Markt einstellen, um hier erfolgreich zu sein. Bei Türen gibt es keine Normgrößen, sondern jede Tür ist „tailor-made“. Dies gilt es in der Flexibilität der Produktionsanlagen unbedingt zu berücksichtigen.
Asiatische Länder gelten technisch als innovativ. Gibt es noch eine Art Grundvertrauen in deutsche Wertarbeit?
Deutsche Firmen und „Made in Germany“ genießen noch immer einen unglaublichen Vertrauensvorschuss. Das Vertrauen in eigene Produktionen ist dagegen sehr gering.
Worin unterscheiden sich die Ansprüche an Produkte von asiatischen Architekten im Vergleich zu europäischen?
Generell ist das Qualitätsverständnis in Baumaterialien nicht sonderlich groß ausgeprägt. Von Hörmann als Premiumhersteller jedoch wird auch eine Premiumqualität erwartet.
Kann man asiatische Bauherren mit europäischen vergleichen? Oder ist das eine ganz andere Welt?
In Asien ist alles schneller, größer. Allerdings wird wenig Wert auf Nachhaltigkeit und Lebensdauer gelegt. Aus diesem Grund ist das Projektgeschäft von Hörmann China überproportional groß
Welche Unterschiede gibt es bei den Normen, zum Beispiel im Brandschutz?
Die Normierung im Brandschutz ist in Asien sehr inhomogen. Auf der einen Seite gibt es Länder ohne Normung, in denen auf den „British Standard“ zurückgegriffen wird. Auf der anderen Seite gibt es in China eine sehr fortschrittliche Brandschutznorm. So sind alle Brandschutztüren mit einem Mikrochip versehen, auf dem alle technischen Daten, Hersteller und Einbauort hinterlegt sind. Die Herausforderung liegt in der flächendeckenden Durchsetzung der Normen und deren Überwachung.
Werden sich diese Normen in den kommenden Jahren ändern?
Die Brandschutznormen sind auch hier ständigen Veränderungen unterlegen. Es wird sich zeigen, ob insbesondere die Durchsetzung der Anforderungen mit der Entwicklung Schritt halten kann.
Wie ist in Asien die Gewährleistung geregelt?
Jedes Land hat ein eigenes Rechtssystem und ein eigenes Gewährleistungsrecht. In vielen asiatischen Ländern sind das Gewährleistungsverständnis und das Einfordern von Gewährleistung jedoch im Allgemeinen sehr gering. Dagegen ist das japanische Gewährleistungsrecht und Qualitätsverständnis viel ausgeprägter als in Deutschland. Welche geschäftlichen Erwartungen haben Sie in Bezug auf die asiatischen Länder?Mit dem Ausbau der Produktion erwarten wir weiterhin ein dynamisches Wachstum für Hörmann, wenngleich die Konjunkturentwicklung in China abflacht. Das Bruttosozialprodukt weist dieses Jahr „nur“ eine Steigerungsrate von 6,5 Prozent aus. Die Zeiten der zweistelligen Wachstumsraten sind vorbei. Allerdings steigen in Asien andere Länder wie Thailand und Vietnam auf, da dorthin viele Produktionen verlagert werden.