In der letzten Ausgabe waren wir in Berlin, dieses Mal in Bielefeld. Klaus Reinhardt kennt beide Städte. Er ist niedergelassener Arzt in Bielefeld und als Präsident der Bundesärztekammer oft in Berlin.
Sie haben die Wahl: Bielefeld oder Berlin?
Ich bin in beiden Städten gerne. Aber Bielefeld ist meine Heimat. Das Kulturangebot ist für die Größe der Stadt bemerkenswert und die Lebensqualität hoch. In Bielefeld habe ich zudem einen großen Freundeskreis. Nun gut, in Berlin auch, aber der in Bielefeld ist älter und gewachsen. Ich kann mich daher nicht entscheiden. Aber ich muss es ja auch nicht. Da die Bahnverbindung zwischen beiden Städten exzellent ist und ich in zweieinhalb Stunden in Berlin sein kann, bleibe ich beiden Städten treu.
Was macht Bielefeld einzigartig?
Bielefeld ist im Vergleich zu Berlin eine Stadt der kurzen Wege. Alles liegt räumlich sehr dicht beieinander. Das spart Zeit, die dann zum Beispiel in die bemerkenswerte Kulturszene investiert werden kann. Deren Angebot ist hervorragend und alles andere als provinziell.
Was entgegnen Sie Menschen, die behaupten, Bielefeld gäbe es gar nicht?
Denen empfehle ich an einem Samstag bei gutem Wetter und bester Stimmung einen Besuch auf der Bielefelder Alm. Die Arminia ist vielleicht nicht der Krösus der Fußball-Bundesliga, aber sie verstecken sich nicht und sind ein hochlebendiger Beweis, dass es Bielefeld tatsächlich gibt.
Wie gefällt Ihnen Bielefeld aus architektonischer Sicht?
Bielefeld ist leider keine klassisch schöne Stadt. Zu viele Gebäude sind dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Dennoch gibt es einige herausragende Bauwerke. Allen voran die Kunsthalle von Philip Johnson (1968) oder auch die Rudolf-Oetker-Halle von Tietmann und Haake (1930) sowie die revitalisierte Ravensberger Spinnerei (1857), in der sich jetzt unter anderem zwei Museen, ein Kino und eine Event-Location befinden. Kleiner, aber ebenfalls bemerkenswert ist das Besucher- und Informationszentrum Sparrenburg und der Infopunkt auf dem Johannisberg von Max Dudler (2014).
Was würden Sie sich aus architektonischer Sicht für Bielefeld wünschen?
Es bräuchte einen längerfristigen Masterplan für die Stadtentwicklung, der dabei die demografische Entwicklung nicht außer Acht lässt. Wichtig ist auch der Umgang mit Vierteln wie Baumheide und Stieghorst. Darüber sollte man sich – unabhängig von sozialen Aspekten – auch unter städteplanerischen Gesichtspunkten Gedanken machen. Grundsätzlich müssten wir in Bielefeld die Plätze aufwerten. Die bräuchten mehr Charakter und Flair. Das wurde zum Beispiel beim Kesselbrink versucht. Leider wurde dabei vergessen, die umgebenden Gebäude mit einzubeziehen.
Haben Sie kulturelle Tipps für unsere Leser?
Abgesehen von der Kunsthalle und dem Kunstforum Hermann Stenner – beides Einrichtungen von mindestens nationalem Renommee – haben wir ein hervorragendes Musiktheater, ein engagiertes Sprechtheater sowie eine erstklassige Kinoszene in Bielefeld. Lichtwerk und Kamera haben ein tolles und anspruchsvolles Programm. Kulinarisch gehe ich gerne ins Numa, Gui und in die Bar Centrale – schöne Orte mit guter Küche.
Was kann man in Bielefeld (und Umland) während einer Pandemie für seine Gesundheit tun?
Man ist in kürzester Zeit im Grünen. Das ist auch etwas, was diese Stadt auszeichnet. Der Teutoburger Wald ist ein hervorragender Ort zum Wandern, Radfahren oder auch Joggen.
Und was sollte man nach der Pandemie (wenn alles wieder möglich ist) in Bielefeld als Erstes tun?
Zwei Dinge vermisse ich sehr: Die „Lange Nacht der Museen“ ist jetzt zweimal ausgefallen. Ebenso der Weinmarkt. Beide Veranstaltungen verbinden Kultur und Geselligkeit. Ohne sich zu verabreden, trifft man viele Leute und kann sich auch in großem Kreis entspannt über allerlei Dinge unterhalten – zum Beispiel über Architektur.
Dr. med. (I) Klaus Reinhardt
geboren 1960 in Bonn, DE
studierte Medizin an der Universität Padua/Italien und legte dort 1990 das Staatsexamen ab. Er ist niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und trat 1993 in die elterliche hausärztliche Praxis in Bielefeld ein. Seit 2005 ist er Vizepräsident der Landesärztekammer Westfalen-Lippe. 2011 übernahm er den Vorsitz im Hartmannbund. 2015 wurde er in den Vorstand der Bundesärztekammer gewählt. Er leitet zudem seit 2016 deren Gebührenordnungsausschuss, der zusammen mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung über eine grundlegende Reform der privatärztlichen Abrechnung verhandelt. Seit 2019 ist Dr. Klaus Reinhardt Präsident der Bundesärztekammer und Präsident des Deutschen Ärztetages.
www.bundesaerztekammer.de