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Bremen

Wenn der Fußball noch eine Seele hat, dann heißt sie Arnd Zeigler. Als Moderator, Journalist und Autor verschreibt er sich mit Leidenschaft und viel Humor dem runden Leder. Er weiß, wo das Tor steht.

In Ihrer Sendung „ZWWDF“ küren Sie regelmäßig das „Kacktor des Monats“. Welches ist das beste?
Wir küren das „Kacktor des Monats“ jetzt schon seit mehr als zehn Jahren. Meistens sind es etwa 50 Vorschläge pro Saison, so dass wir inzwischen mehr als 500 sehr unansehnliche Tore vorgestellt haben. Da einzelne Tore rauszupicken ist wirklich schwierig. Ich mag sehr das Tor, bei dem vor einigen Jahren der FC Ingolstadt in Duisburg traf, weil Duisburgs damaliger Keeper Mark Flecken in einem sehr ungewöhnlichen Moment Durst bekam, nämlich als gerade Ingolstadts Kutschke mit dem Ball am Fuß frei auf Fleckens Tor zulief. Inzwischen ist Flecken einer der besten Torhüter der Bundesliga und steht im Kader der niederländischen Nationalelf. Er hat es also gut weggesteckt. Ein Tor mit persönlichem Bezug habe ich in der Tat auch. Ich war letztes Jahr zu Gast in Denkershausen bei Northeim, weil der dortige Verein mich in unserem Tippspiel für ein Spiel als Stadionsprecher gewonnen hatte. Wir waren mit einem Kamerateam dort. Der ganze Ort empfing mich wie ein Staatsoberhaupt, es gab fantastische Pommes, einen Flutlichtausfall und ein waschechtes Kacktor, als unsere Kamera gerade zufällig lief. Großartig.

Apropos Tor: Haben Sie ein Lieblingstor in Bremen?
In Bremen lebe ich im sogenannten Steintor, das allgemein nur „das Viertel“ genannt wird. Inzwischen ist es manchmal eher anstrengend, dort am Wochenende abends zu Fuß von A nach B zu gehen, weil man sich dann zunehmend mit Autoposern und Kneipentourismus auseinandersetzen muss. Das Viertel selbst aber ist wunderschön. Ich habe in den letzten 20 Jahren in drei verschiedenen Häusern gewohnt. Alle liegen in einem Radius von 200 Metern. Es gibt dort schöne alte Häuser, die viele Menschen optisch etwas an Altbaubauten in Großbritannien erinnern. Es gibt viele Kneipen, tolle Läden, ich bin in 5 Minuten an der Weser, in 7 Minuten in der Innenstadt und in 10 Minuten im Bürgerpark Das alles hat sehr viel Lebensqualität und viele Annehmlichkeiten. Und ich bin übrigens auch in 5 Minuten beim Stadion.

Schnuckelig: der Schnoor in Bremen.
Prägend im Steintor: das „Altbremer Haus“.

Was zeichnet Bremen sonst noch aus?
Irgendjemand hat mal gesagt, man bekommt Menschen schwer wieder aus Bremen heraus, wenn sie die Stadt erst einmal kennengelernt hat. Bremen besticht nicht durch Größe, Protz oder Prachtbauten, und Bremen berauscht sich nicht an seiner Bedeutung oder Geschichte. Bremen besticht durch Unaufgeregtheit und Gemütlichkeit, ohne provinziell zu sein. Es ist einfach eine schöne, alte Hansestadt direkt am Fluss. Die Identifikation des Bremers mit seiner Stadt ist erheblich höher als in den meisten anderen deutschen Metropolen.

Was sollten sich Architekten in Bremen unbedingt anschauen?
Ich erwähnte schon den Baustil im Viertel, den man auch in vielen anderen Bremer Stadtteilen wiederfindet. Man nennt das „Altbremer Haus“, und es ist wunderschön.

Vor zwei Jahren wurde der Libeskind-Entwurf für das Sparkassen-Areal am Brill abgelehnt. Warum? Mögen die Bremer keine moderne Architektur?
Der Entwurf wurde ja nicht von „den Bremern“ abgelehnt, deshalb lässt sich das so nicht sagen. Ich fand die Pläne spannend. In der Innenstadt ist sehr viel in Bewegung geraten. Ich hoffe, dort wird es mittelfristig gute Ideen für eine Neugestaltung der Innenstadt geben.

Was halten Sie aus architektonischer Sicht vom Weserstadion?
Ich bin natürlich befangen, aber im Prinzip ist das Weserstadion wie Bremen: Nicht das größte, nicht das modernste, aber etwas sehr Besonderes. Es liegt direkt an der Weser, Du kannst mit der winzigen Sielwallfähre hinfahren, wenn Du willst. Ringsherum gibt es gemütliche Kneipen, und wer keine Eintrittskarte hat, setzt sich an den grünen Weserdeich und macht Picknick. Das Stadion selbst hat seine sehr charakteristischen Flutlichtmasten behalten, die inzwischen fast so etwas sind wie ein Wahrzeichen der Stadt Bremen. Und drinnen ist es einfach immer wieder toll, wenn Zuschauer reindürfen. Ein sehr leidenschaftliches, meistens sehr positives Fußballpublikum, ein enges Stadion mit toller Atmosphäre. Und durch die Photovoltaik-Verkleidung sieht es sehr futuristisch aus. Wenn man, wie ich, das Ding noch als baufällige, zugige, unübersichtliche Schüssel mit einer Laufbahn kennt, ist das eine wirklich tolle Evolution. Ich mag sehr, dass es organisch im Stadtteil verwurzelt ist und nicht in irgendeinem Industriegebiet gebaut wurde, und dass es einen absolut eigenen, unverwechselbaren Charakter besitzt und nicht aussieht wie die vielen Kästen, die zur WM 2006 sehr phantasielos runderneuert wurden.

Wo lässt sich ein Werder-Sieg in Bremen am besten feiern?
Unbedingt im „Eisen“ am Sielwall. Eine der wunderbarsten kleinen Kneipen in Deutschland. Von Menschen mit ganz viel Herz betrieben, auch durch die sehr schwere Pandemie hindurch, die den Laden beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte. Man kann dort toll Fußball gucken und sich sehr liebenswürdig betrinken. Und bei schönem Wetter ist nach einem Werder-Sieg der Platz vor der Brommy-Kneipe, fünf Minuten zu Fuß vom Stadion entfernt, ein wunderschöner Ort.

Gibt es kulturelle Tipps, die Sie unseren Lesern abschließend noch mitgeben können?
Die Stadt als Ganzes hat eine eigene Atmosphäre, und ich kann alles empfehlen, was mit der bremischen Lebensart zu tun hat. Eine Radtour im Blockland, ein Spaziergang im Bürgerpark, ein Bummel durch den Schnoor mit einem Stück Käsekuchen im Café Tölke, ein Werder-Heimspiel oder ein Museumstag mit Kunsthalle, Focke-Museum und Überseemuseum. Und ein Fest mit Pflichtcharakter ist auch die sommerliche Breminale, das Kulturfestival an der Weser.

Eine Fachfrage zum Schluss sei mir noch gestattet: Ich – und viele andere auch – entfernen sich zurzeit vom Fußball. Wie kann uns geholfen werden?
Mir ist kürzlich erst so richtig klargeworden, dass wir auf vielen Gebieten sehr aufpassen müssen, dass wir nicht Dinge einbüßen, die uns unser ganzes Leben lang ans Herz gewachsen sind. Ich mache ja auch eine Musiksendung im Radio (auf Radio Bremen Zwei), bei der ich meine Lieblingsmusik spiele, die heutzutage aus den Radios des Landes fast verschwunden ist. Danach muss man suchen und graben. Ebenso sind viele Faktoren verschwunden, die uns mal in unserer Kindheit dazu gebracht haben, Fußballfans zu werden. Und dennoch muss es vieles geben, was uns daran fesselt, sonst wären wir ja keine Fans mehr. Auch nach diesen Dingen muss man zuweilen suchen und graben. Der beste Fußball ist nicht mehr unbedingt der, der uns auch am meisten Freude bereitet. Der am besten besetzte Hochglanzwettbewerb ist nicht zwingend der, der auch am meisten Spaß macht, auch wenn er sich prima vermarkten lässt. Viele von uns sind mit und durch Fußball sozialisiert worden. Das ist etwas sehr Wertvolles, und das ist schützenswert. Und ich sehe es als wichtigen Teil meines Jobs, die Menschen in meiner Sendung oder bei meinen Liveauftritten daran zu erinnern, was es mal gewesen sein könnte, was uns irgendwann für den Fußball entflammt hat.

Arnd Zeiglers emotionale Heimat: das wohninvest Weserstadion.

Arnd Zeigler

Arnd Zeigler
geboren 1965 in Bremen, DE
ist Moderator, Journalist, Autor – und Stadionsprecher von Werder Bremen. Seine Feuertaufe als Radiomoderator erhielt er 1989. Noch heute läuft jeweils dienstags vier Stunden lang seine wöchentliche Radioshow „Zeiglers wunderbare Welt des Pop“ (Bremen Vier). Seit rund drei Jahrzehnten wird zudem an Fußballspieltagen im ARD-Hörfunkprogramm seine satirische Radiokolumne „Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs“ gesendet. Etwas jünger ist seine gleichnamige TV-Sendung (WDR), die in seinem eigenen Wohnzimmer produziert wird. Seit 2013 ist Arnd Zeigler zudem Co-Moderator verschiedener Fußballsendungen – zurzeit bei „Matchball“ (RTL+). Ebenfalls ums Kicken geht es in seinem Podcast „Ball you need is love – Aus Liebe zum Fußball“, in dem er mit Prominenten über das „Fansein“ und die Leidenschaft für das runde Leder spricht. Arnd Zeigler gehört der Deutschen Akademie für Fußballkultur an, wurde 2011 als „Sportjournalist des Jahres“ ausgezeichnet und erhielt 2022 den Fair-Play-Preis des DFB. Außerdem ist er Autor diverser Fußballbücher. 2020 erschien „Traumfußball. Wie unser Lieblingsspiel uns allen noch mehr Spaß machen kann“. Zurzeit tourt er mit seinem Liveprogramm „Hat schon Gelb“ durch Deutschland. Die Termine und weitere Informationen gibt es auf:
www.arndzeigler.de

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