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Pluralismus

Plädoyer für individuellen Schulbau am Beispiel Berlins

Mit sehr viel Engagement und breiter Unterstützung wurde 2016 die Berliner Schulbauoffensive (BSO) ins Leben gerufen mit dem Ziel, „Lernräume, die höchst vielfältige, differenzierte Lernsituationen […] erlauben und sie auch provozieren, zu gestalten“. Politiker, Architekten, Stadtplaner, Pädagogen, viele Experten sowie Schüler- und Lehrervertreter haben an ihr mitgewirkt. Die hieraus resultierenden Empfehlungen sind ambitioniert, und die Erwartungshaltung ist groß. Thomas Heinle schreibt zusammen mit Olivia Al-Hadry über den aktuellen Stand und die Entwicklung und zieht ein Fazit.

In den Empfehlungen der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität (Stand April 2017) heißt es: „Schulbau hat immer eine pädagogische Wirkung. Neue Schulhäuser sollen die Flurschule des 19. Jahrhunderts ablösen [...] und einen ganztägigen bedeutsamen Lebens- und Lernort der Kinder und Jugendlichen ermöglichen. Transparenz zu allen Räumen im Inneren einschließlich der Teamräume der Pädagoginnen und Pädagogen [...] stellen Vertrautheit her. Die Schule soll künftig mehr als bisher integrativer Bestandteil im lokalen Bildungsnetzwerk sein.“ Dies soll im offenen architektonischen Wettbewerb erfolgen, in kürzester Zeit und kostengünstig. Soweit der Anspruch.

Das Ørestad-Gymnasium in Kopenhagen stammt von 3XN und wurde 2005 fertiggestellt; ...
... es gilt bis heute als positives Beispiel ...
... für innovative Schulbauten.

Unerwartete Parameter
Zur Umsetzung der Offensive werden bekannte konventionelle Ansätze vorgeschlagen: Die Bereitstellung von modularen Ergänzungsbauten (MEB), die konventionelle Erweiterung bestehender Standorte, die Reaktivierung ehemaliger Schulgebäude, organisatorische Maßnahmen und unter anderem 30 Neubauten. Zehn dieser Schulbaumaßnahmen sind durch den Senat bereits als so genannte „Schnellbauschulen“ im Modellvorhaben zur Beschleunigung von Schulbaumaß­nahmen (MOB) ausgewiesen. Am Beginn steht das Ziel, mittel­fristig mehr als 550 Millionen Euro in Schulen zu investieren. Zwischen 2016 und 2021 steigen die Ausgaben kontinuierlich. Der Senat beschließt 2021, 700 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, da unerwartete Parameter wie die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine die Ent­wicklung ­beeinflussen. Bedarf und Kosten werden begrenzt. Verschiedene Schulsysteme aller Bezirke können das gleiche Privileg für sich beanspruchen, unabhängig von sozialen oder finanziellen Situationen. Dieser Aspekt ist wesentlich für die Chancengleichheit der Heranwachsenden.

Berechtigte Zweifel?
Die HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft nimmt in der BSO eine bedeutsame Rolle ein. Sie betreut 28 der bisherigen Projekte, davon 13 Sanierungen und 15 Neubauten. Das verspricht kürzere Entscheidungswege und Entwurfsphasen – vorteilhaft vor allem aus wirtschaftlicher Perspektive. Der Ansatz: Modulbauweisen sollen in kurzer Zeit die Lösung bringen. Doch diese Bauweise polarisiert: Sind sie ästhetisch und funktional, oder schaffen sie lediglich zweckmäßige Abhilfe? Täglich werden die Nutzer die Raumqualität erleben. Sie spüren die Haltung und Authentizität der Architektur, bewusst oder unbewusst. Kann die Modulbauweise bei einem Auftraggeber für 28 Schulen dem hohen Anspruch gerecht werden, ohne einer Uniformität zu unterliegen?

Das Wesen der Architektur
Die BSO arbeitet mit Hochschulen zusammen, um neue innovative Blickwinkel und Impulse durch die generationsübergreifende Zusammenarbeit zu schaffen. Die HOWOGE erklärt, nach welchen Kriterien sie die unterschiedlichen Vorhaben plant: „Damit Architekten ein Gebäude entwerfen können, müssen sie wissen, was die Menschen in diesem Gebäude tun und wie sie es tun.“ – Moment! Ist dies nicht das grundsätzliche Wesen unserer Arbeit? Architektur bedeutet, den Ist-Zustand zu verstehen und dabei die Zukunftsszenarien zu visualisieren. Aber wie ist das möglich? Hier ist es wichtig, den Schulbau in einem größeren Kontext zu betrachten.

Lernen aus Erfahrung
Schulen sind Orte, an denen Heranwachsende einen Großteil ihres Tages verbringen. Räume, die sie in frühen Jahren prägen. Wie sehr Schularchitektur Einfluss auf die Persönlichkeit nimmt, weiß man, wenn man seine eigene Schulzeit und die der anderen reflektiert. So ergeben sich häufig äußerst unterschiedliche Erfahrungen, die stark mit dem Schulraum in Verbindung stehen. Es ist also sinnvoll, aus der Vergangenheit zu lernen: Ein Rückblick in die Geschichte verdeutlicht den Wandel, dem die Schulpädagogik und -architektur in Deutschland unterlag. Erst 1919 versucht die Politik in Deutschland, Unterricht für alle zu garantieren. Die Schulpflicht wird etabliert. Damit einhergehend verändert sich auch der Unterricht. Lange Zeit spiegelte sich die militärische Härte, die den Schultag prägt, auch in der Form der wilhelminischen Gebäude wider. Schule für alle, aber nach einem strengen Regiment. In den Zeiten zweier Weltkriege rücken Themen wie Bildung in den Hintergrund oder werden politisch instrumentalisiert. Erst nach Ende des 2. Weltkriegs ist Raum für tiefgreifende Veränderung gegeben und gewünscht.

Die Grundschule Borgafjellet von LINK arkitektur setzt auf ...
... großzügige und offene Innen- und Außenräume sowie umweltverträgliche Bauweise und Materialien.

Humanes Bauen
Auch für heinlewischer ist die Geschichte das Fundament, auf dem wir bauen. Die beiden Gründer unseres Architekturbüros, Erwin Heinle und Robert Wischer, lernen bei dem Stuttgarter Architekten Prof. Günter Wilhelm. Wilhelms Antrittsrede zur Professur als Nachfolger von Prof. Paul Schmitthenner in Stuttgart ging als „Humanes Bauen“ in die Geschichte ein. Richard Neutra hat bei einer Exkursion in Deutschland in Günter Wilhelm einen Architekten gesehen, dessen Wirken die Zukunft der Architektur in Europa beeinflussen wird. Kämpferisch und geradlinig, aber neu. Das harsche Regiment der Schule ist nicht Teil seines architektonischen Grundprinzips. Günter Wilhelm ist für reformative Schulbauten und interdisziplinäres Arbeiten bekannt.

Bauen für die Zukunft
Architekten, Pädagogen, Politiker und Ärzte fordern in den 1950ern zukunftsweisenden und neuen Raum zum Lernen. Lernen aus der Vergangenheit, Bauen für die Zukunft. Klarheit und Sparsamkeit der Baumittel. Dies steht auch bei Prof. Wilhelm im Vordergrund, und es ist aktueller denn je. Sein Interesse an fortschrittlichen Schulbauten gibt der Lehrer an seine Mitarbeiter weiter – an Erwin Heinle, Günter Behnisch, Harald Deilmann und viele andere. heinlewischer plant und baut bis heute erfolgreich im Bildungssektor: Kindergärten, Gymnasien, Aus- und Weiterbildungszentren, Universitäts- und Hochschuleinrichtungen. Immer mit der zeitlosen Frage: Wie sieht gute Architektur für Bildung aus?

Der dritte Pädagoge
In der architektonischen Arbeit an Bildungseinrichtungen stelle ich häufig fest, dass Anspruch und Wirklichkeit weit voneinander abweichen. Alle wollen das gleiche Ziel erreichen, nur „der Kontext ermöglicht es ihnen nicht“. Die Mittel fehlen, die Normen und Gesetze lassen es nicht zu, die Gremien sind zu langsam – viele Gründe, sich selbst nicht zu Höchstleistungen herauszufordern. Doch es gibt sie, die „guten Schulen“. Ich bin in einer solchen erwachsen geworden.
Wie einflussreich der Raum auf den Unterricht ist, prägt der italienische Pädagoge Loris Malaguzzi und bezeichnet diesen als „dritten Pädagogen“: Die gute Schule ist transparent und gleichzeitig behütend. Sie verlockt zur Kommunikation und erlaubt Rückzug. Sie ist so individuell wie gemeinschaftlich, so professionell wie spontan. Schüler und Lehrer identifizieren sich mit ihr. Sie bietet Freiräume und vielfältige Nutzungen, verbindet andere lerninteressierte Menschen und Institutionen miteinander. – Im Grunde ist sie genau das, was die BSO als ihr Ziel formuliert hat.

Meine positiven Erinnerungen und die meiner Freunde und Kollegen an eine gute Schule sind ein Zusammenspiel aus objektiv gestalteten Elementen und individuellen Assoziationen. Zum Beispiel: Die Vorbereitungsräume sind großzügig dimensioniert und wecken Neugier. Der Musiksaal „lebt“, er kann wachsen und schrumpfen. Die Aula ist ein hoher, licht- und luftdurchfluteter Raum, sie fördert spontane Begegnungen. Fachkabinette sind professionelle Räume und mit steigendem Gestühl ausgestattet: Das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium von Hans Bregler in Stuttgart aus dem Jahr 1957 ist für mich ein Bonatz-Preis-gekröntes Beispiel für eine gute Schularchitektur. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Silcherschule – auch in Stuttgart und von Prof. Günter Wilhelm entworfen.

Für das Jahr 2024 ist die Fertigstellung des Gymnasiums Kirchheim bei München geplant, ...
... für das heinlewischer den Entwurf verfasst hat.

2053
Die 1970er-Jahre brachten nach der Studenten- und der „Bildungsrevolution“ zum Teil durch Typenbauten schnelle und große Lernsysteme zustande, aber auch sehr anonyme. Aus dieser Zeit – der letzten Schulbau-Offensive – lässt sich sehr viel ableiten. Durch die heutigen gesellschaftlichen, klimagerechten, nachhaltigen und wirtschaftlichen Ziele entsteht wieder ein komplexes Anforderungsprofil an Gebäudetypen. Die Lösung für die Zukunft soll „optimal“ sein. Was ist also, wenn wir einen Schritt weiter denken und dann noch einen Schritt weiter und wir uns mit einem Mal im Jahr 2053 befinden? Generation Zeta wird eingeschult. Wie sieht der Raum namens Schule dann aus? Und wie planen wir ihn? „Es ist wichtig, dass jeder einzelne Lehrer an der Entwicklung seiner individuellen Wandlungsfähigkeit arbeitet, weil er sich im Laufe der Zeit unweigerlich in unterschiedlichen Gruppen wiederfinden wird.“ Sollte selbiges nicht auch für Schularchitektur gelten? Die nachfolgenden Generationen werden sich kontinuierlich schneller entwickeln und durch kürzer werdende Episoden definiert.

Weiterentwicklung
Weiterentwicklung ist das Schlagwort. Demokratische Pluralität und Mitwirkung, Künstliche Intelligenz, neue Technologien, Nachhaltigkeit und Inklusion sind die maßgebenden Standards der kommenden Generationen. Auch Zeitaspekte sind entscheidend. Schule bedeutet ebenso Raum für Freizeit. So werden Ganztagsschulen oder Nachmittagsaktivtäten vermehrt in den Alltag integriert. Konzentration, Geborgenheit, Kommunikation, Begegnung, Spontaneität und Organisation sind nur einige der wesentlichen Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten. Der gegenwärtige Bedarf und der Abgleich mit dieser Vision – eine Herausforderung. Wie kann Architektur dem gerecht werden?

Zwei eigene Beispiele
Mit dem Gymnasium in Kirchheim bei München interpretiert heinlewischer historisch wirksame Motive wie den Marktplatz neu. So entsteht eine große, unterschiedlich bespielbare Halle für die Schule. Dieses Zentrum, das eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit schafft und zeitgleich Flexibilität bietet, verbindet als offener Raum sowohl in der Vertikalen die Geschosse als auch in der Horizontalen die praktischen Nutzeinheiten. Die damit geschaffene Transparenz ist ein wichtiger Faktor, wenn es um die Wirkung der Architektur auf Lehrende und Schüler geht. Dies ist insbesondere in der internationalen Schularchitektur zu finden.
Mit dem Siegerentwurf für das Bertolt-Brecht-Gymnasium in Dresden setzen heinlewischer die Prinzipien der pädagogischen Schule um. Neben innenliegenden Gärten, dem pavillonartigen Holzbau und dem effizienten Grundriss widmet sich der Entwurf dem Thema der Nachhaltigkeit. Das funktional aufgeteilte Raumprogramm manifestiert sich in der klaren Struktur der Klassenräume. Diese wiederum bieten Raum für Zukunftsthemen wie dem Online-Unterricht.

Skandinavien als Vorbild
Schule zu denken, zu planen und zu bauen ist eine Heraus­forderung. Wir wissen nicht, wie wir in 30 Jahren lehren, lernen und bauen. Wir können jedoch annehmen, dass es ein Zusammenspiel aus Mensch, Natur, Technik und Architektur sein wird. Im Bildungssektor gelten zurzeit die skandinavischen Länder als Avantgarden Europas. Finnland und Dänemark sind Spitzenreiter der glücklichsten Länder und mit ihren Schulsystemen sehr erfolgreich. Hier gilt: Eine Leistungsschule ist zeitgleich eine Wohlfühlschule. Dazu wirken Schüler, Lehrende und Eltern aktiv an der Gestaltung mit. Die dortigen interdisziplinären Teams bestehen aus Assistenten, Praktikanten, Sozialarbeitern, Pädagogen, Kuratoren, Schul­psychologen, Beratungslehrern, Logopäden und Ärzten. Es wird viel Wert auf das Wohlergehen der Kinder gelegt. In der Formensprache dieser Architektur findet sich das zentrale Element der Transparenz wieder. Der Übergang zwischen dem Innen und Außen ist fließend.

Das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart von Hans Bregler im Jahr 1957.
Die Silcherschule in Stuttgart wurde von ERNST² saniert.

Individuell und identifikativ
Gute Architektur kann, wenn sie individuell genug ist, dazu beitragen, dass Schüler als pluralistisch und demokratisch denkende und handelnde Bürger in ihrer Phantasie und ihrem sozialen Engagement gefördert werden. Dass modulare Typenbauten unsere pluralistische Gesellschaft nicht widerspiegeln, ist offensichtlich. Es gibt durchaus gute Beispiele von Typenbauten, meist schränken sie jedoch die Identifikation und die Flexibilität stark ein. So ist die Individualisierung der Raumtypologien mit unterschiedlichen pädagogischen Schwerpunkten schwierig bis unmöglich. Wollen wir die „bauliche“ Nachhaltigkeit der Schulen des vorletzten Jahrhunderts und deren langjährige Nutzung fortführen, so müssen wir groß, offen und frei bleiben. Das Wohlbefinden in und mit einer Schule entsteht aus der individuellen Identifikation. Dies bedeutet Vielfalt, Differenzierung, Andersartigkeit.

Interdisziplinäre Teamarbeit
Wichtiger als eine schnelle Planungszeit ist die gestalterische Entwicklung im Team – individuell und sorgfältig. Keine Gleichartigkeit, sondern Vielfalt und Unterschiedlichkeit auf hohem Niveau. Dies benötigt Zeit und Geld. Zeit, die wir hatten und verstreichen ließen. Geld, das wir haben, aber nicht in Massenware investieren sollten. Der nun hohe Preis ist zu verkraften, wenn wir das Ziel langfristig betrachten und die zukünftigen Generationen es besser machen werden, als wir es in Bezug auf Investitionen in die Bildung unserer Kinder in den Jahren 1990 bis 2010 gemacht haben. Wir hatten seit dem Boom in den 1970er-Jahren nur wenige Schulbau-Investitionen in Deutschland. Jetzt versuchen wir, den Rückstand auf Kosten qualitativer Architektur aufzuholen. Das ist nicht der nachhaltige Weg. Stellen wir uns vor, dass sich die Qualität der Schule, wie sie in der Berliner Schulbauoffensive formuliert wurde, realisieren ließe. Wenn wir mit einer Kombination aus guter Organisation und durchdachten Gestaltungskonzepten tatsächlich langfristig alle formulierten Ziele erreichen würden. Was für einen Fortschritt und Mehrwert würde unsere Gesellschaft hiermit langfristig erzielen! Das Ziel ist diese Anstrengung und Geduld wert.

Autor: Thomas Heinle
geboren 1961 in Stuttgart,
schloss sein Architekturstudium an der Fachhochschule Biberach 1986 mit Diplom ab. Nach drei Jahren im Büro Murphy/Jahn in Chicago und Frankfurt hat sich Thomas Heinle entschieden, nach Dresden zu gehen, um dort als Partner von heinlewischer 1993 ein Büro zu gründen. 2007 gründete er nach Erfolgen in zwei internationalen Wettbewerben das Büro in Breslau. Sein Schwerpunkt liegt im Entwurf von Forschungs-, Schul- und Hochschulbauten. Für diesen Artikel erhielt er Unterstützung von:

Thomas Heinle

Autorin: Olivia Al-Hadry
geboren 1995 in Kiel,
studierte bis 2022 Szenografie / Interior Design (Bachelor) und anschließend Raumstrategien (Master) an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. Seit 2022 ist sie bei heinlewischer unter anderem für die Sanierung und den Erweiterungsneubau der „Architekturfakultät der Technischen Universität Dresden“ tätig.
www.heinlewischer.de

Olivia Al-Hadry

Kommentar: Ambitionierter Ansatz
Ferdinand Horbat, Stellvertretender Vorsitzender
Deutscher Philologenverband Berlin/Brandenburg e. V.

Marode Fenster, Schimmel, immer noch nicht beseitigte Kriegsschäden, zu kleine und zu wenig Klassenräume, nicht vorhandene Fluchtwege, nicht ausreichende Infrastruktur für einen zeitgemäßen Unterricht – all das sind Aspekte, mit denen sich Schulen befassen müssen. Zugegeben, es gibt Neubauten. Aber entsprechen sie immer den pädagogischen und tatsächlich notwendigen Gegebenheiten? Wird die oft zitierte Partizipation der Beteiligten wirklich erfüllt? Der überwiegende Teil der Schulen ist nicht von Neubaumaßnahmen betroffen, zumal in vielen Bereichen der Stadt kaum Flächen für Schulneubauten zur Verfügung stehen. Für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler einschließlich der Eltern sowie der Kolleginnen und Kollegen geht es oft um Instandsetzung und gegebenenfalls bauliche Erweiterungen. Hier bedarf es ideenreicher Konzepte wie zum Beispiel der Nutzung vorhandenen Dachraums älterer Schulgebäude. Vorschriften und Verwaltungswege dürfen die Umsetzungen baulicher Maßnahmen weder unangemessen verzögern noch verhindern. Auch wenn zum Beispiel der Denkmalschutz ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Auftrags ist, darf er den eigentlichen Nutzungszweck eines Gebäudes nicht infrage stellen. Es müssen tragfähige Kompromisse zwischen Denkmalpflege und dem Grundrecht auf Bildung gefunden werden. Für die Schülerinnen und Schüler als auch die Beschäftigten ist es bedeutend, inwieweit den Erfordernissen eines modernen Unterrichts sachgerechte Arbeitsplätze sowie Gebäude- und Infrastruktur entsprechen. Ebenso bedeutend erscheint eine wesentlich kürzere Umsetzung von baulichen Maßnahmen. Die neue Berliner Koalition hat die Wichtigkeit der schulbaulichen Maßnahmen erkannt und präsentiert in dem Koalitionsvertrag einen ambitionierten Ansatz. Neben weiteren Mitteln soll auch die Verwaltung effizienter gestaltet werden. Dem wird durch die Ernennung eines Staatssekretärs für Schulbau und Schuldigitalisierung Rechnung getragen.

Kommentar: Optimierte Verfahren
Norman Heise, Vorsitzender
Landeselternausschuss Berlin

Berlin benötigt dringend zusätzliche Schulplätze. Diese werden durch eine Mischung aus funktionalen modularen Ergänzungsbauten (MEBs) und Compartmentschulen – den Berliner Lern- und Teamhäusern – geschaffen. MEBs bieten zwar schnelle Lösungen für Platzbedarf, bringen aber auch neue Probleme mit sich: Schulhöfe werden kleiner, es fehlen Fachräume, und die meisten MEBs sind immer noch Flurschulen. Dennoch fühlt sich der Wechsel von einer dringend sanierungsbedürftigen Schule zu einem MEB wie eine völlig neue Welt an. Mittlerweile gibt es MEBs aus Holz mit angenehmer Aufenthaltsqualität und minimalen Compartment-Elementen. Compartmentschulen, also viele kleine Schulen in einer großen Schule, sind das Ergebnis einer Expertengruppe mit über 90 Beteiligten aus Bildung, Politik und Verwaltung. München diente dabei als Vorbild. Einige dieser Schulen befinden sich im Bau. Zwei Grundschulen stehen kurz vor der Fertigstellung. Für sie wurde ein Wettbewerb durchgeführt, bei dem mehrere drei- und vierzügige Schulen desselben Typs entstehen. Für weiterführende Schulen gibt es Wettbewerbe für fast jeden Standort. Die ersten Besichtigungen der im Bau befindlichen Schulen vermitteln einen vielversprechenden Eindruck von neuen pädagogischen Qualitäten und Möglichkeiten des Lehrens und Lernens, die besser auf verschiedene Lerntypen eingehen als Flurschulen. Beim Thema Sanierung sind die Partizipationsverfahren positiv zu erwähnen, bei denen Schulgemeinschaften mit einbezogen werden und die Schule neu gedacht wird. Leider kommt es häufig zu Spannungen mit dem Denkmalschutz, wodurch moderne Konzepte oft nicht umgesetzt werden können und die Pädagogik der letzten 100 Jahre für die nächsten 50 Jahre konserviert wird. Die Hoffnung für die Zukunft liegt in optimierten Verfahren, um den Bau neuer Schulen noch schneller voranzutreiben. Trotz Baukostensteigerungen dürfen an den Qualitäten keine Abstriche erfolgen.

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