Architektur und Berge – ein kontrovers diskutiertes Thema. Robert Kolbitsch kennt sich damit aus, denn er betreut als Architekt die Hütten und auch die Wege des Deutschen Alpenvereins (DAV).
Was macht das Wandern in den Bergen allgemein und Hüttenwanderungen im Speziellen aus?
Bergwanderungen bieten eindrucksvolle und abwechslungsreiche Landschaften. Sie setzen Reize für alle Sinne: von der frischen Luft über die visuellen Eindrücke bis hin zur körperlichen Anstrengung. Wer auf einer Hütte übernachtet, erlebt abends einerseits eine einmalige Ruhe und andererseits eine familiäre Atmosphäre in der Hüttenstube. Es entsteht eine Art temporäres Gemeinschaftsgefühl, das vielfach in den Städten nicht mehr gegeben ist.
Welchen Rat haben Sie für unerfahrene Wanderer?
Für die ersten Touren würde ich mir Routen auf gut ausgeschilderten Forstwegen aussuchen. Der Spaß steht im Vordergrund. Es gibt tolle Hüttenziele mit prächtigen Aussichten bei geringen Schwierigkeiten. Grundsätzlich sollten eine fundierte Planung der Route, das richtige Wetter und die nötige Ausrüstung beachtet werden.
Welche Region bewandern Sie am liebsten?
Das kann ich pauschal gar nicht beantworten, da jede Region ihren ganz speziellen Reiz hat. Ich persönlich achte darauf, überlaufene Gegenden zu meiden.
Gehört Architektur in die Berge?
Ein Großteil der bestehenden Hütten hat eine historische Berechtigung zu existieren. Sie wurden im 19. Jahrhundert genutzt, um die Berge zu erschließen – damals noch als spartanische Schutzhütten. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich der Tourismus, und mit ihm nahm die Zahl der Hütten zu. Mittlerweile werden zumindest im DAV keine neuen Hütten mehr gebaut – es sei denn, sie ersetzen bereits bestehende Bauten. Unsere Prämisse ist jedoch der Erhalt vorhandener Infrastruktur. Unser Credo ist, dass Hütten sich den Bergen unterordnen, sich also in die Landschaft einfügen und nicht auffallen. Das schließt moderne Gestaltung nicht aus, solange sie demütig gegenüber dem Berg ist.
Gibt es gelungene Architektur in den Bergen?
Wie gesagt, ich bin ein Freund von zurückhaltender, einfacher Architektur. Gute Beispiele dafür aus unserem Verein sind die Olperer Hütte, die Erlanger Hütte oder ein Lieblingsprojekt von mir: die Alte Prager Hütte, die der Urform der Berghütte sehr nahe kommt. Dem gegenüber stehen moderne Bauten wie zum Beispiel die Monte-Rosa-Hütte der Kollegen vom Schweizer Alpen-Club (SAC), die auch in ihrer auffälligen Gestaltung an genau dieser Stelle ihre Berechtigung hat. Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt der ETH Zürich und wurde mit sehr viel Aufwand entwickelt.
Was halten Sie von modernen Hütten wie der Monte-Rosa-Hütte, der Seethalerhütte, der Neuen Regensburger Hütte und der Schwarzensteinhütte?
Die Monte-Rosa-Hütte ist ein Pilotprojekt, das von der ETH Zürich entwickelt und mit sehr viel Aufwand erstellt wurde. Sie haben technisch einiges probiert und sehr viel Wert auf die Gestaltung gelegt. Im Kontext der Umgebung ist die extravagante Gestaltung mit der verspiegelten Fassade sinnvoll und nachvollziehbar. Das gilt ebenso für die Seethalerhütte. Sie ist ein Ersatzbau, bei dem darauf geachtet wurde, einen möglichst kompakten Baukörper zu errichten, der Bezug auf die Rahmenbedingungen nimmt. Die Neue Regensburger Hütte wiederum ist eine denkmalgeschützte Bestandshütte, neben die ein sehr dominanter Erweiterungsbau gesetzt wurde. Mit diesem Entwurf bin ich nicht so glücklich. Er hätte wesentlich kompakter und zurückhaltender gestaltet werden können. Auch die Schwarzensteinhütte – ähnlich wie die Stettiner Hütte – sind sehr dominante Gebäude, die sich gestalterisch nicht der Berglandschaft unterordnen. Das entspricht nicht unbedingt meinem Geschmack von zurückhaltender Architektur in den Bergen.
Wie sieht die Zukunft der Berghütte aus?
Die vorhandenen Hütten müssen überprüft werden, ob sie aufgrund des Klimawandels noch betrieben werden können. Wir haben jetzt schon Probleme mit der Wasserversorgung, da die Gletscher und auch die Schneefälle zurückgehen. Generell sollten wir zurück zur Einfachheit und darüber nachdenken, bestimmte Hütten zu Selbstversorger-Hütten umzuplanen.
Welche Grenzen hat der Bergtourismus?
Grundsätzlich muss man jedem die Möglichkeit geben, ins Gebirge gehen zu können. An der Auslastung der Hütten merkt man schon, wie stark das Interesse an den Bergen zugenommen hat. Da wir die Schlafplätze nicht ausbauen, gibt es eine natürliche Grenze, die nicht überschritten werden kann.
Wie kann der Mensch den Bergen Gutes tun?
Ganz einfach: Zurück zur Einfachheit und Respekt vor der Natur!
Robert Kolbitsch
geboren 1970 in Lienz
aufgewachsen in Berg im Drautal, wohnt heute in München. Nach der Matura in Spittal/Drau und einem Kolleg für Möbel- und Innenausbau an der HTL Imst schloss er 1998 das Masterstudium für Architektur an der Fachhochschule München ab. Nach einigen Jahren als freiberuflicher Architekt startete er 2009 als Ressortleiter Hütten und Wege beim Bundesverband des Deutschen Alpenvereins e. V. (DAV). Der DAV mit seinen 355 Sektionen und rund 1,6 Millionen Mitgliedern betreibt 325 öffentlich zugängliche Hütten (davon 183 in Österreich) und rund 30.000 Kilometer Wege.
www.dav.com