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Frutigen gehört weder zu den wichtigsten Verkehrsknoten-

punkten noch zu den Tourismuszentren der Schweiz. Doch

seit April 2005 endet hier der drittlängste Eisenbahntunnel

der Welt: 34,6 Kilometer misst der Lötschberg-Basistunnel

zwischen Frutigen und Raron. Bis 2016 sein „größerer

Bruder“ am Gotthard vollendet wird, liegt er damit hinter

dem Eurotunnel auf Rang zwei in Europa.

Sollte im Basistunnel je ein Brand ausbrechen, stehen in

Frutigen und Brig zwei Lösch- und Rettungszüge bereit. Sie

bestehen aus je einem Tanklöschwagen und zwei druck-

dichten, containerartigen Rettungsfahrzeugen, die eine

eigene Atemluftversorgung für Einsätze bis zu viereinhalb

Stunden besitzt.

Das neue Domizil des Lösch- und Rettungszuges steht

neben dem Gleisfeld des Bahnhofs Frutigen. Schon früh

erkannte die Betreibergesellschaft BLS, dass sich ein

Neubau an dieser Stelle auch anderweitig nutzen ließe:

Gemeinsam mit dem benachbarten Erhaltungszentrum, in

dem heute Züge gewartet werden, diente die Halle zunächst

ein Jahr lang als Werkstatt für den Tunnelbau. Beim späte-

ren Ausbau zum Interventionszentrum wurde ihr ein „Haus

im Haus“ in Massivbauweise eingefügt, das eine Mensa,

Büros, Sitzungszimmer, einen Schulungsraum und

Garderoben enthält. Seit Mitte 2007 ist auch die örtliche

Feuerwehr von Frutigen in das Gebäude eingezogen.

Je nach Lichtsituation variiert der Hallenbau zwischen

monolithischer Geschlossenheit und filigraner Transparenz.

Aus dem tags stumpf grauen bis grünlich-blau schimmern-

den Riegel wird nachts eine riesige gelbe Laterne. Dann ist

durch die Polycarbonathaut auch das außergewöhnliche

Tragwerk der Halle sichtbar: Zweigelenk-Rahmen mit je rund

21 Metern Spannweite sind wie Tischböcke paarweise

aneinander gelehnt und steifen die Halle in Längsrichtung

aus. Zusätzliche Windverbände wurden dadurch überflüssig.

Auf den Rahmen liegen brettschichtverleimte Längsträger,

die durch schubsteife Dreischichtplatten in der Dachebene

miteinander verbunden sind. Am Fußpunkt liegen die

Hallenbinder über Stahlgelenke auf einem Stahlbetonsockel

auf. Die Horizontalträger der Fassade sind an den Rahmen-

stielen befestigt und außerdem in jeder Feldmitte über

Gewindestangen von der Dachkonstruktion abgehängt.

Im Halleninneren herrscht je nach Witterungsverhältnissen

ein mehr oder weniger diffuses Licht. Verantwortlich hierfür

ist die Fassade aus Polycarbonat-Stegplatten, die über die

gesamte Fassadenhöhe reichen. Messungen haben für die

Halle einen mittleren Tageslichtquotienten von acht Prozent

ergeben. Dies bedeutet, dass allen das Tageslicht während

mehr als 90 Prozent der jährlichen Arbeitszeit eine Mindest-

beleuchtung von 500 lux sicherstellt. Zur Beheizung des

Interventionszentrums wird das im Basistunnel ständig

anfallende Bergwasser verwendet: Die Temperatur im

Tunnel liegt bei bis zu 35 Grad Celsius. Um eine Überhitzung

der Halle im Sommer zu vermeiden, besitzen die Stegplatten

einen g-Wert von unter 0,5. Zusätzlich wird die Halle über

eine Nachtströmungslüftung gekühlt: Dann gelangt die

Außenluft über Klappen am Fußpunkt der Fassade ins

Innere und verlässt die Halle über Lüftungsöffnungen in der

Mitte der Hallendecke wieder. Mechanisch belüftet werden

müssen lediglich einige innen liegende Räume wie die

Mensa und Aufenthaltsräume. Werkstätten und Büros lie-

gen dagegen an der Außenfassade und erhalten direkte

Außenluft durch Fenster.

Interventionszentrum in Frutigen

Der lange, schmale Baukörper neben dem Bahnhof von Frutigen ist ein wahres

Multitalent: Beim Bau des Lötschberg-Basistunnels diente er als Werkstatt und

Montagehalle. Heute beherbergt er den Lösch- und Rettungszug für den Tunnel sowie

die örtliche Feuerwehr. Den Rahmen für die vielfältigen Nutzungen bildet eine weit

gespannte, grazile Hallenkonstruktion aus einem für Feuerwachen eher ungewöhnli-

chen Material: Holz.

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