Die Olympischen Spiele 1972 in München sind über das
Sportereignis hinaus eng mit der außergewöhnlichen
Architektur verbunden. Die zeltdachartige Dachkonstruktion
über dem Stadion hat bis heute ihren Wert bewahrt.
Darüber hinaus hat auch der Rahmenplan der Gesamtan-
lage seine Funktionstüchtigkeit bewiesen. Nicht selten sind
die aufwendigen Infrastrukturen nach Ablauf ähnlicher
Großveranstaltungen sich selbst überlassen oder werden
nur unzureichend genutzt.
Das Olympiagelände in München dagegen blieb in seiner
Funktion voll erhalten und ist längst Bestandteil der Stadt
geworden. Die damals nach Geschlechtern getrennten
Athletenunterkünfte sind nach den Spielen zu Wohnungen
umgebaut worden, die bei den Münchnern nach wie vor in
der Gunst hoch oben stehen. Während die männlichen Teil-
nehmer in mehrgeschossigen Terrassenhäusern unterge-
bracht waren, wohnten die Frauen im sogenannten Bunga-
low-Dorf, eine dichte Reihung von 800 Mini-Apartments, die
allesamt einen eigenen Eingang von der Straße her hatten.
Da sich die Kleinstwohnungen nach den Spielen kaum ver-
mieten ließen, übernahm das Studentenwerk die Anlage
und entwickelte daraus eine Art Wohnheim. Studenten aus
aller Welt okkupierten diesen legendären Ort und bauten
ihn über die Jahre zu einem ganz eigenen Kosmos aus. Die
nicht unbedingt für die Ewigkeit gebauten Häuschen aus
Stahlbeton zeigten allerdings nach über 30 Jahren Nutzung
erste Verschleißerscheinungen. Ein Gutachten ermittelte,
dass die Bestandsbauten unter Wahrung ihrer architektoni-
schen Qualität nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren wa-
ren. Das Studentenwerk entschloss sich daher im August
2007, bis auf 12 Beispieldenkmäler, alle Häuser komplett
zurückzubauen und in einer fast identischen Kubatur, unter
Berücksichtigung des Ensembleschutzes, neu zu errichten.
Damit zeigte sich auch der mittlerweile 91-jährige Archi-
tekt, Professor Werner Wirsing, einverstanden, der die
Wohnanlage 1972 plante und bei den Rekonstruktionsarbei-
ten beratend zur Seite stand. Durch eine leichte Verschie-
bung des Achsmaßes konnte die Anzahl der Apartments
von 800 auf 1026 erhöht werden. Sie alle entsprechen den
heutigen energetischen und bauphysikalischen Standards.
Die zweigeschossigen Maisonettewohnungen erlauben –
wie damals propagiert – Individualität bei geringer gegen-
seitiger Störung. Für ausreichend Kommunikation sorgen
allein schon die engen, gerade mal 2,30 Meter breiten Gas-
sen, die mit ihrem Flair an südeuropäische Städte erinnern.
Wer Probleme mit der Uniformität hat, kann seine Fassade
auch bemalen. So sah es jedenfalls schon das auf der 68er-
Studentenbewegung basierende Bauprogramm vor. Knapp
20 Quadratmeter stehen jedem Studierenden zur Verfügung.
Das ist nicht gerade üppig, aber wie die Grundrissbeispiele
zeigen, lassen sich durch eine geschickte Anordnung selbst
auf kleinstem Raum alle wichtigen Funktionen unterbringen.
Für Ausgleich sorgen im Sommer die fast sechs
Quadratmeter großen Dachterrassen. Das Bad, eine
Kochzeile mit Esstresen sowie ein Schrank und eine über
die gesamte Raumbreite gespannte Arbeitsplatte vor dem
niedrigen, horizontalen Fenster füllen das Erdgeschoss aus.
Eine schmale Stiege führt in die Schlafgalerie hinauf, von
der auch die Dachterrasse erreichbar ist. Obwohl mit der
Erneuerung auch das 68er-Flair verschwand, sind die heuti-
gen Studenten schon wieder kräftig dabei, sich diesen
besonderen Ort erneut zu erobern.
Studentenwohnanlage in München
Nach den Olympischen Spielen 1972 in München diente das damalige Frauendorf
über 30 Jahre lang Studenten als Wohnraum. Die 800 Mini-Apartments, die nicht für
die Dauer angelegt waren, wurden komplett zurückgebaut und in fast identischer
Kubatur wieder neu errichtet. Das unter Ensembleschutz stehende Gelände haben
sich die Studenten schnell wieder zu eigen gemacht.
24