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Mit täglich bis zu 150.000 Fahrzeugen

zählt der Mittlere

Ring zu den meistbefahrenen Straßen Münchens. Entspre-

chend stark sind die anliegenden Wohngebiete durch Lärm

belastet – vor allem entlang der Teilabschnitte, in denen

die Trasse noch immer oberirdisch verläuft. So auch im Be-

reich der Richard-Strauss-Straße, zwischen gleichnami-

gem Tunnel und Effnerplatz, am Übergang der nordöstli-

chen Innenstadt nach Bogenhausen: In den 1950er-Jahren

waren dort sechs zeilenförmige Gebäude mit 184 Wohnun-

gen entstanden, die sich fächerartig zum Mittleren Ring

öffnen und inzwischen erheblich unter den verkehrsbe-

dingten Beeinträchtigungen litten.

Um die Situation zu verbessern und gleichzeitig die vorhan-

denen Grundstücksreserven zu nutzen, wurde 2005 ein ein-

stufiger Realisierungswettbewerb ausgelobt, aus dem das

Berliner Büro Léon Wohlhage Wernik Architekten als Sie-

ger mit einem überzeugend klaren Entwurf hervorging. Fünf

zusätzliche Wohnriegel parallel zum Straßenzug, die die

vorhandenen Bestandsgebäude zu einer Kammstruktur er-

gänzen – im Gesamtbild ein überdimensionaler, leicht ge-

schwungener Lärmschutzwall mit einer Höhe von sechs

Geschossen. In der Aufsicht sind die neuen Baukörper nicht

zwischen die Altbauten gezwängt, sondern nach außen ver-

setzt; die deutlich ablesbaren Fugen wurden bis unter die

Traufkante mit Schallschutzelementen versehen. Den südli-

chen Abschluss bildet ein Bürogebäude. Zur Straße er-

zeugten die Architekten ein 250 Meter langes Relief: An

allen neuen Wohngebäuden fassten sie jeweils zwei über-

einanderliegende Etagen mit verschieden breiten, verputz-

ten Fassadenflächen gestalterisch zusammen, die nach

Süden leicht aus dem Gebäude herausklappen, um schma-

le vertikale Fenster aufzunehmen. In unterschiedlichen

Gelb- und Grüntönen gestrichen, erinnern diese Tafeln ent-

fernt an das geschichtete Schuppenkleid eines Reptils. Das

unterste Band läuft dabei durch und definiert vor den Stirn-

seiten der Altbauten halböffentliche Räume – Schallschleu-

sen, in denen sich seitlich die Zugänge zu den neuen

Wohnriegeln befinden. Die besondere Herausforderung

bestand jedoch nicht nur darin, die angrenzenden Gebäude

bestmöglich abzuschirmen, sondern gleichzeitig in schwie-

riger Lage hochwertigen Wohnraum zu schaffen. Die ins-

gesamt 90 Ein- bis Dreizimmereinheiten mit über 12.000

Quadratmetern orientieren sich daher samt Loggien und

Balkonen größtenteils zu den begrünten Innenhöfen. Auf

der Straßenseite sind dagegen hauptsächlich Treppen-

häuser, Küchen und Bäder angeordnet; diejenigen Wohn-

und Essbereiche, die von Osten nach Westen „durchge-

steckt“ wurden, lassen sich auch zu den Höfen be- und

entlüften. Léon Wohlhage Wernik erfüllten die gestellten

Anforderungen voll und ganz. In hochgradig verkehrsbelas-

tetem Stadtraum realisierten sie Gebäude, die in sich gut

funktionieren und dem gesamten Quartier als schützendes

Rückgrat dienen. Das Ergebnis ist selbst für Spaziergänger

deutlich auszumachen: Von der Straße über die Zugangs-

schleusen bis in die Innenhöfe nimmt der Schallpegel kon-

tinuierlich und wohltuend ab.

An einer vielspurigen Stadtautobahn zu leben klingt zunächst wenig reizvoll. Ein ge-

schickter Planungsansatz macht dies aber ohne größere Einschränkungen möglich:

Am Rand der Münchner Innenstadt errichteten Léon Wohlhage Wernik Architekten

mehrgeschossige Wohnbauten, die trotz ihrer direkten Lage am Mittleren Ring eine

hohe Aufenthaltsqualität bieten und darüber hinaus den Lärmschutz für die angren-

zenden Bestandsgebäude verbessern.

WOHNEN AM MITTLEREN RING IN MÜNCHEN

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