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FOLKWANG-BIBLIOTHEK IN ESSEN

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Die musikwissenschaftliche Sammlung

der nordrheinwest-

fälischen Folkwang-Universität der Künste, die mit 190.000

Noten, Büchern, Tonträgern, Zeitschriften und anderen Me-

dien zu den größten Beständen bundesweit gehört, war bis-

her an verschiedenen Standorten aufbewahrt. Im Neubau

in Essen kommen sie nun an einem Ort zusammen. Aber

nicht nur inhaltlich, auch städtebaulich wird hier etwas

vollendet und zusammengeführt. Das neue Gebäude

schließt eine Lücke im barocken Ensemble der Werdener

Abtei, die durch den Abriss eines Lazarettgebäudes aus

dem 19. Jahrhundert entstanden war. Wie viele historische

Gebäude blickt auch die ehemalige, aus dem 8. Jahr-

hundert stammende Benediktinerabtei auf eine wechsel-

volle Geschichte zurück. Nach einer wirtschaftlichen wie

politischen Blütezeit im Mittelalter wurde das Kloster im

18. Jahrhundert zu einer fürstlichen Residenz im barocken

Stil erweitert und ging anschließend in den Besitz Preußens

über. Die neuen Eigentümer bauten die Gebäude später zur

Strafanstalt um, eine Nutzung, die bis zum Ende der Nazi-

zeit die Abtei bestimmte. Seit 1945 befindet sich im ehema-

ligen Klostergebäude der Hauptsitz der Folkwang Universität

der Künste. Hier bildet die Hochschule in den klassischen

Musiksparten aus.

Die Reste einer alten Stützmauer aus Bruchstein dienen

dem Bibliotheksneubau, dessen Grundrissform aus einem

Recht- und einem Dreieck gefügt ist, als Sockel. Darüber

erhebt sich das viergeschossige Gebäude, mit großem

Atrium und einem zentral gelegenen Lesesaal, um den

sich die Regalflächen und kleineren Lesenischen anordnen.

Im Erdgeschoss befinden sich weitere Studienkabinette

und akustisch getrennte Medienzellen. 2007 hatte das Büro

von Max Dudler aus Berlin, den geladenen Realisierungs-

wettbewerb gewonnen. Eine besondere Weiterentwicklung

klassischer Natursteinfassaden stellt die ungewöhnliche

Hülle der Bibliothek dar, die gemeinsam mit dem Archi-

tekturfotografen Stefan Müller entworfen wurde.

Großformatige Nahaufnahmen eines Steinbruchs wurden

durch ein spezielles Druckverfahren mit UV-härtender Tinte

direkt auf die Glasscheiben der Fassade aufgebracht. In

Anlehnung an die in der Musik wichtige Zahl „Zwölf“ wur-

den zwölf sich wiederholende Sequenzen zu einer harmo-

nischen Komposition zusammengefügt. Die plastischen

Motive unbehauenen Steins erzeugen ein dreidimensiona-

les Spiel auf der Glasoberfläche. Gleichzeitig löst die Trans-

luzenz der Fassade weitere ungewohnte Bilder aus, wenn

hinter der scheinbar massiven Hülle die Schatten von Pas-

santen sichtbar werden. Doch auch funktional erfüllt die

Umkleidung des Gebäudes ihre Zwecke: So strömt gefilter-

te Helligkeit zum Lesen und Arbeiten in den Innenraum, ohne

als direktes Licht die kostbaren Medien zu schädigen. Max

Dudler selbst bezeichnet das kristalline Gebäude als ein

„Schmuckkästchen“: Eine kostbar verzierte Hülle schützt

den noch weit wertvolleren Inhalt, den Medienschatz der

Bibliothek. Im Inneren sind Pfeiler und Bücherregale, die

wie Tische und Stühle von Max Dudler entworfen oder aus-

gesucht wurden, mit Kirschbaumholz verkleidet.

Bauen im historischen Kontext ist immer wieder eine herausfordernde Aufgabe.

Während die städtebauliche Einordnung der neuen Folkwang-Bibliothek von Max

Dudler ganz der Umgebung verpflichtet ist, bildet die Fassade eine zeitgenössische

Weiterentwicklung klassischer Gebäudehüllen aus Stein. Eine geradezu „leicht-

füßige“ Gestaltung, der im Inneren massiv und traditionell eingerichteten Bibliothek.