![Show Menu](styles/mobile-menu.png)
![Page Background](./../common/page-substrates/page0028.jpg)
28 KURSPORT: HEILUNG IM KURHAUS IN BAD ALEXANDERSBAD
Den Genius loci zu finden, den „Geist
eines Ortes“, dies kann für Architekten
ein mitunter schwieriges Unterfangen
sein. Brückner & Brückner Architekten
gaben nicht nach, ehe sie ihn anlässlich
eines neuen Bades für Bad Alexandersbad
gefunden hatten.
Von Bad Alexandersbad noch nie etwas gehört zu
haben – dies ist keine Schande. Mit nicht einmal 1000
Einwohnern ist es zumindest in einer Hinsicht Rekordhalter
– als kleinster Kurort Bayerns, tief im Oberfränkischen
gelegen und kurz vor der Grenze zu Tschechien. Von
der „Wollsackverwitterung“ keine Kenntnis zu besitzen,
ist ebenso wenig Anlass, betrübt zu sein. Denn diese
geologische Besonderheit kennen für gewöhnlich nur
Freunde der Gesteinskunde – oder auch Bewohner des
Fichtelgebirges. Die Architektenbrüder Brückner aus dem
nicht weit entfernt gelegenen Tirschenreuth gelten als
Meister in der Suche nach jenem „Geist des Ortes“, der die
Plätze ihrer Projekte prägt. Und sie entschieden, dass die
„Wollsackverwitterung“ zum formalen Leitmotiv ihres Bad-
Entwurfs werde. Sie selbst formulieren es poetischer in der
Frage: „Was will an diesem Ort sein?“
Potenzial
Was an diesem Ort hätte sein sollen, war seit seiner
Gründung durch den letzten örtlichen Markgrafen der
Region klar: ein möglichst gewinnbringender und mon-
däner Badeort, der das kleine Fürstentum Ende des 18.
Jahrhunderts vor dem Staatsbankrott hätte retten sollen.
Was entstand, war ein kleines Schlösschen, ein kleines
Kurhaus, in den 1960er- und 1970er-Jahren des letzten
Jahrhunderts eine zeittypische Hotelanlage und schließ-
lich eine Ansammlung aus Einfamilienhäusern, die so oder
so ähnlich überall zu finden ist. Immerhin: Goethe wurde
hier einmal gesehen – doch ansonsten erfüllten sich die
hohen Erwartungen an die Neugründung eher nicht, und
das kleine Kurbad hat bis heute vor allem Potenzial. Mit
der Erweiterung des alten Kurhauses zum Alexbad gaben
Brückner & Brückner dem Örtchen eine neue Chance, denn
das Alexbad hat das Potenzial, Bad Alexandersbad aus
dem Dornröschenschlaf zu holen. Wer nun weiß, dass die
„Wollsackverwitterung“ Gesteinsformationen hervorbringt,
die aussehen wie gestapelte kubische Volumen – oder eben
Wollsäcke –, und ebenso davon Kenntnis hat, dass solche
geologischen Formationen in der Umgebung des Kurortes zu
finden sind, dem erklärt sich auch die ungewöhnliche Form
des Alexbades. Denn auf den ersten Blick erschließen sich
keine Analogien zu den eher wenig auffälligen klassizisti-
schen Bauten der direkten Umgebung. Das mineralische
Entwurfsmotiv wurde zusätzlich durch einen rauen, mit
Granitsplittern durchsetzten Fassadenputz betont und auch
im Inneren mit sorgsam gewählten Oberflächen fortgeführt.
Heilsame Kontemplation
Das Alexbad ist weder Spaß- noch Sportbad. Es soll den
Kurgästen Ruhe und heilsame Kontemplation bieten. Die
verwendeten Werkstoffe sind deshalb auch nicht spektaku-
lär. Sie sind wertig, ohne zu protzen. Sie definieren den Ort
und bleiben in Erinnerung. Auch deshalb besteht das Bad
nicht aus einer großen Halle, sondern aus einer Addition
von Einzelräumen um die drei Becken, die Sauna, das
Dampfbad und das Sanarium. Und der Blick der Badenden
soll zwar vorwiegend nach oben in den Himmel über dem
Fichtelgebirge gerichtet sein – aber eben auch nicht aus-
schließlich. Denn die Fugen zwischen den skulpturalen
Gebäudeblöcken füllten die Architekten mit Glas, durch
das dann zwangsläufig die Allerweltswohnhäuschen der
Nachbarschaft zu sehen sind. Das Alexbad von Brückner
& Brückner sperrt die Gäste nicht ein in einen edlen und
formal überhöhten Cocoon. Der Badende empfindet diesen
Ort zwar als etwas Besonderes, denn drinnen herrscht ein
neu geschaffener Genius loci. Doch der profane Alltag der
Umgebungsbauten bleibt sichtbar. Diesen Kontrast muss der
Kurgast aushalten und zugleich erfühlen, dass im Alexbad
ein ganz neuer Geist des Ortes erschaffen wurde.
Die Rundbogenfenster des alten Gebäudes blieben erhalten.
Die Wollsackverwitterung war Inspiration für die Architektur des Alexbades.