WEGE DURCH DAS LAND

„Lilith's Return“ des RambaZamba-Theaters

Für Autorin Joumana Haddad ist Lilith eine junge Frau, die sich in einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Ethnien und Glaubensrichtungen gegen alle Erwartungen stellt und sich selbst mit all ihren Widersprüchen kennen lernen und behaupten will. Die Interpretation auf der Bühne erfolgte durch die Schauspielerinnen des integrativen Theaters RambaZamba aus Berlin. Im Interview erzählt Leiterin Gisela Höhne von der Arbeit ihres Theaters. Wie viele andere integrative Veranstaltungen, unterstütze Hörmann das Theaterstück. 

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Interview mit Gisela Höhne, Leiterin des Berliner RambaZamba-Theaters (24.2.2012)

Gibt es ein Recht behinderter Menschen, Theater zu spielen?
 

Ja, natürlich. Jeder Mensch hat das Recht, Schauspieler zu sein. Voraussetzung ist, dass er dafür begabt ist. Die Schwierigkeit für Menschen mit Behinderung ist die Ausbildung, und man muss den Platz finden, wo man spielen kann.
Für mich bedeutet Schauspielen: eine schauspielerische Kompetenz haben, zu wissen, dass ich etwas spiele, eine Rolle haben, welche auch immer, und das Bewusstsein, dass ich es vor anderen spiele. Damit kann auch ein behinderter Mensch Schauspieler sein. Es muss ein bewusster Gestaltungsprozess sein. Wir sind nicht alle gleich. Das selbstverständliche Miteinander ohne Differenzen zu verwischen, das ist die Kunst.


Was bedeutet RambaZamba?
 

Es hat mit einem Theater begonnen. Vor 21 Jahren haben wir eine Kunstwerkstatt eingerichtet, zu der das RambaZamba gehörte. Inzwischen trägt die gesamte Kunstwerkstatt diesen Namen. Hier arbeiten über 60 behinderte Menschen, davon sind 40 Schauspielerinnen und Schauspieler. 36 von ihnen haben Arbeitsplätze in Werkstätten für Behinderte. Rund 20 abendfüllende Stücke wurden bisher einstudiert und aufgeführt. Wir waren etwa 180-mal auf Gastspielreisen in ganz Europa. Im Übrigen ist das Theater eine bescheidene Einrichtung, die von einer Handvoll Leuten betrieben wird. Auch von solchen ohne Behinderung.


Und der Ausdruck „RambaZamba“, was bedeutet der?
 

Wild sein, Grenzen überschreiten, sich nicht an Regeln halten und am Ende etwas hinkriegen, was allen Spaß macht. Ich mach jetzt mal RambaZamba, d. h. ich misch das jetzt mal alles auf.


Wie wird man Mitglied des Ensembles?
 

Es gibt Bewerbung und Praktika. Zur Begabung muss die dauerhafte Begeisterung kommen. Ohne überbordende Spielfreude, hält man das Engagement nicht aus. Es ist auch anstrengend. Die größte Gruppe unter unseren Schauspielern sind Menschen mit Downsyndrom, etwa 12. Das hängt mit der Fähigkeit dieser Menschen zusammen, zu beobachten und nachzuspielen. Kinder mit Down Syndrom haben eine lange Beobachtungsphase, bevor sie aktiv werden.


Im internationalen Spielfilm sind behinderte Schauspieler mittlerweile selbstverständlich. Warum nicht auf der Bühne?
 

Ja richtig, aber im Film werden sie als Träger ihrer Behinderung eingesetzt. Sie spielen sich meist selbst. „Normale“ Rollen werden ihnen dort nicht anvertraut. Rollstuhlfahrer spielen Rollstuhl fahrende Personen. Menschen mit Down Syndrom bekommen nur Rollen mit Down Syndrom. Anders bei nicht-behinderten Schauspielern, die häufig Menschen verkörpern, die ein Handicap haben. Der Film, der ja viele neue Stoffe aufgreift, erfindet viel häufiger als das Theater Charaktere, die Träger von Behinderung sind. Warum das moderne Theater solche Rollen nicht vorsieht, ist schwer zu sagen.


Vielleicht besteht keine Nachfrage?
 

Eins lehrt die Erfahrung: Schauspieler gehen nicht gern mit Kindern und Tieren auf die Bühne. Diese ziehen leicht alle Aufmerksamkeit auf sich. Dagegen zu bestehen, ist nicht leicht. Vergleichbares gilt für Menschen mit Behinderung auf der Bühne. Diese können so sie selbst, so authentisch sein, dass selbst sehr gute Schauspieler daneben Mühe haben. Dabei spielt die Selbstreferenz der Schauspieler mit Behinderung eine entscheidende Rolle. Eine Ophelia mit Down Syndrom bleibt immer als solche erkennbar. Das hinzunehmen ist das Publikum vielleicht noch nicht bereit. Aber auch den Theaterleuten fällt es schwer, dies zu akzeptieren.
Wenn wir als Theater, das sowieso und auf allen Ebenen Schauspieler mit Behinderungen einsetzt, besser ausgestattet wären, könnte sich etwas ändern. Man kann sich dann auch eine gemischte Truppe oder gar ein Ensemble denken, in das Schauspieler ohne Behinderung integriert werden.


Für wen spielen Sie? Wer ist ihr Publikum?
 

Es ist mittlerweile ein ziemlich breit gefächertes Publikum. Begonnen hat es mit Eltern und Freunden. Eltern kommen natürlich zur Premiere und ab und an, um die Aufführung noch mal zu sehen. Nach wie vor kommen die Freunde. Wir haben einen richtigen RambaZamba-Stamm. Häufig besuchen uns auch Auszubildende in sozialen Berufen. Wir machen Vorstellungen extra für sie.
In die Abendvorstellungen kommt ein relativ „normales“, aber sicher ein am Theater interessiertes Publikum. Man hört nicht selten: „Kinder, das hier ist noch Theater.“ Es gibt eine RambaZamba-Fangemeinde in Berlin und in ganz Deutschland. Auch Schauspieler kommen gern und gucken sich das an.