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Dort wo sich die Grenzen der Bundesländer Thüringen,

Sachsen und Sachsen-Anhalt treffen, liegt die Thüringer

Kleinstadt Lucka. Wie viele deutsche Städte besteht auch

diese aus einem pittoresken Altstadtkern mit Fachwerk-

häusern, an den sich nach und nach Neubaugebiete an-

gliederten. Eine dieser Siedlungen liegt am südlichen Ende

von Lucka nahe am Wald und trägt folgerichtig den Namen

„Zum Waldblick“.

Das zu bebauende Grundstück dort hatte lediglich eine

Größe von 560 Quadratmetern, was den Architekten zusätz-

lich zu den strengen Bauauflagen kaum gestalterischen

Spielraum zu lassen schien. Denn die Firsthöhe, deren Rich-

tung, die Dachneigung sowie Dach- und Fassadenfarbtöne

waren vorgegeben. Trotzdem wünschte sich der Bauherr

ein eher modernes und individuelles Heim für sich und seine

Familie. Für die Architekten war klar, dass sie nur durch ein

Gestaltungsprinzip des Weglassens der Uniformität der

Siedlung aus dem Weg gehen konnten. Somit verzichteten

die Planer demonstrativ so weit wie möglich auf die

typischen Neubau-Merkmale, wie einen symmetrischen

Aufbau, Dachüberstände, Auskragungen und Anbauten.

Dementsprechend wurde die gerade für Neubau-Einfami-

lienhäuser symptomatische Garage nicht wie gewohnt an

das Haupthaus angegliedert, sondern in das Wohnhaus

integriert und durch eine einheitliche Fassadenverkleidung

fast unsichtbar. Einen ähnlichen Kunstgriff wendeten die

Architekten auf den Eingangsbereich an. Standardmäßig

besteht dieser bekanntermaßen aus einem Granitpodest

mit Fußabstreifer und einem kleinen Vordach. Stattdessen

schnitten die Architekten den Eingangsbereich schräg in

eine Längsseite des Bauköpers, wodurch der Eingang erst

als solcher erkennbar wird, denn die Tür ist, wie das Gara-

gentor, nicht von der Fassade zu unterscheiden.

Um der Kubatur trotz der strengen Bestimmungen einen

eigenen Charakter zu verleihen, blieb nur die Gestaltung der

Dachform. Somit reizten die Architekten die maximal bezie-

hungsweise minimal zulässigen Dachneigungen aus, so

dass eine mit 48° sehr steil ausfällt und eine mit 22° sehr

flach. Diese asymetrische Satteldachform ist nicht nur

gestalterisch wirkungsvoll, sondern passt zudem in das

Niedrigenergiekonzept des Gebäudes, da die steilen Dach-

flächen nach Süden und somit die Solaranlage optimal

belichtet werden. Mit der Nutzung der Sonnenenergie in

Verbindung mit einer Wärmerückgewinnunganlage über

Abluft und einer Regenwasserzisterne verbraucht das

Einfamilienhaus lediglich 51 Kilowattstunden pro Jahr und

Quadratmeter. Der Bauherr legte viel Wert auf dieses ökolo-

gische Gesamtkonzept, was zusätzlich am äußeren Erschei-

nungsbild ablesbar sein sollte. Die Architekten entschieden

sich, dies mit einer Gebäudehülle aus Lärchenholzlamellen

darzustellen. Da sich auf diese Weise Dach und Außen-

wände nicht mehr voneinander absetzen, entsteht eine fein

strukturierte zusammengehörige Oberfläche, die den sicher-

lich wirkungsvollsten Kontrast zu den übrigen Siedlungs-

bauten bildet.

So elegant und zugleich gewitzt, wie sich das Einfamilien-

haus nach außen zeigt, ist es auch im Inneren. Ein senfgelb

gefärbter Estrichboden verbindet alle Räume miteinander

und betont das heterogene Raumkonzept, das durch ver-

schieden hohe Räume, eine Galerie und damit durch kom-

plexe Raumbeziehungen bestimmt ist. Die scheinbar wahl-

los verteilten Fenster verstärken diesen Raumeindruck.

Niedrigenergiehaus in Lucka

Vielerorts kämpfen Bauherren und Architekten jahrelang gegen restriktive Bauvor-

schriften und damit indirekt gegen die Uniformität vieler Neubaugebiete. Am Rand

der Kleinstadt Lucka im Altenburger Land scheinen sich jedoch Bauauflagen und

anspruchsvolle Architektur gegenseitig nicht auszuschließen: Die Architekten vom

Leipziger atelier st hielten sich an alle Richtlinien, und es entstand trotzdem ein

raffiniertes Einfamilienhaus.

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