Background Image
Previous Page  20 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 20 / 36 Next Page
Page Background

In das Innere

eines Bergmassivs dringt jeder, der einen der

vielen Alpentunnel durchquert. Die schützende Hülle eines

Fahrzeugs aber erlaubt nur eine distanzierte Wahrnehmung

dessen, was ein Berg in seinem Bauch verborgen hält.

Kaum vorstellbar, dass Menschen daraus Lebensraum re-

krutieren. Das Gotthardmassiv ist ein Ort der Sagen und

Mythen, der Legenden und des nationalen Selbstverständ-

nisses. Er gilt gleichzeitig als Symbol für den Aufbruch in

die Moderne, für technischen Fortschritt und Ingenieurbau-

kunst, mit deren Hilfe die Eidgenossen sich ihn für zivile

und militärische Zwecke zu eigen gemacht haben. Die be-

eindruckenden Stollen und Felskavernen auf dem Gotthard-

pass aus Zeiten kriegerischer Bedrohungen sind jetzt wie-

der für Besichtigungen offen. Dass dies möglich wurde,

ist der Fondazione Sasso San Gottardo zu verdanken, einer

ungewöhnlichen Partnerschaft aus privater Wirtschaft und

öffentlicher Hand. Es sind die vier Gotthardkantone Uri,

Tessin, Wallis und Graubünden, die mit ihrer Initiative die

Region zu einem zusammenhängenden Lebens- und Wirt-

schaftsraum entwickeln wollen. Was würde sich besser

eignen als ein Ort, wo sich Natur und Technik so unmittel-

bar begegnen, um eine „Arena der Wissenschaften“ einzu-

richten. In fünf Räumen der historischen Festung Sasso da

Pigna werden die Themen Wasser, Klima, Mobilität und

Lebensraum, Energie und Sicherheit erlebnisreich inze-

niert. Die Inhalte wurden in Zusammen-arbeit mit Wissen-

schaftlern entwickelt und orientieren sich an Erkennt-

nissen aus der aktuellen Forschung. Es ist Holzer Kobler

Architekturen gelungen, die Herausforderungen im Um-

gang mit unseren Ressourcen atmosphärisch zu themati-

sieren. Ihre Gestaltung entsteht stets aus dem Anspruch,

für eine bestimmte Aufgabe und einen spezifischen Ort

eine Lösung zu finden, die Altes, Gegenwärtiges und

Künftiges mit einbezieht und neu interpretiert. Das trifft

auch für die zweite Ausstellung zu, den denkmalgeschütz-

ten Teil der Festung, die auf extrem realistische Weise

Zeugnis ablegt vom früheren Artilleriewerk aus dem Zwei-

ten Weltkrieg. Es wird der Öffentlichkeit zum ersten Mal

zugänglich gemacht und zeigt schonungslos die Hinter-

gründe des Baus und den Alltag in der Festung. Verbunden

durch einen Stollen unterscheiden sich die beiden Be-

reiche in Gestaltung und Funktion stark voneinander. Für

das beauftragte Architekturbüro war diese Aufteilung hilf-

reich. So blieben in der historischen Festung die Zeugen

aus der Geschichte in ihrer ursprünglichen Form erhalten,

während sich die Architekten bei der szenografischen

Realisierung der Themenwelt konsequent dem Zukunfts-

gedanken widmen konnten. Themenwelt und historische

Festung erstrecken sich über fast zwei Kilometer Länge in

einem weitverzweigten Gängesystem auf 2.106 Metern

über dem Meeresspiegel. Für die Bauarbeiten wie für den

Aufbau der Ausstellung bedeutete dies, unter engsten

Verhältnissen und kaum zumutbaren klimatischen Be-

dingungen zu arbeiten. Je tiefer der Besucher in den Berg

vordringt, desto stärker wird ihm die Besonderheit dieses

Ortes bewusst - eine Ausstellung, die unter die Haut geht.

Ausstellungen zu konzipieren gehört zu einem der vielen Gestaltungsbereiche in der

Architektur. Diese Aufgabe in einem Bergmassiv auf über 2.000 Meter Höhe zu erfüllen

ist eine besondere Herausforderung. Holzer Kobler Architekturen aus Zürich realisier-

ten unter extremen Bedingungen in weitverzweigten Stollen und Kavernen auf der

Gotthard-Passhöhe die wissenschaftliche Erlebniswelt „Arena der Gegenwart“.

„ARENA DER GEGENWART“ AUF DEM GOTTHARDPASS

20