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Architektur kann so einfach sein, wenn man seinen Bau-
herrn mit den richtigen Bildern zu überzeugen weiß. Aus
vier Maßkrügen soll der Wiener Architekt Karl Schwanzer
einst in einem Münchner Biergarten das erste Volumen-
modell gebaut haben, um der damaligen BMW-Führung
seine Entwurfsidee für die neue Konzernzentrale am Petuel-
ring zu demonstrieren. Später erhielt das Gebäude dann
andere, klangvollere Namen: „Kleeblatthaus“ oder, am
bekanntesten: „Vierzylinderhaus“ – eigentlich eine irre-
führende Bezeichnung, denn kein BMW-Motor hat jemals
eine ähnliche Anordnung der Zylinder besessen wie
Schwanzers Neubau. Mit 99,5 Metern hält sich dieser
knapp unter der für München „magischen“, durch die
Türme der Frauenkirche vorgegebenen 100-Meter-Marke.
Mit seiner Tragkonstruktion setzte er bei seiner Einweihung
ein Jahr nach der Sommerolympiade 1972 Maßstäbe: Die
Büroebenen, vier Dreiviertelkreise, sind über 16 Meter
lange Kragarme an der Turmspitze an einem zentralen
Betonkern aufgehängt, der die Versorgungseinrichtungen
enthält. Ein Vorzug dieser Bauweise war die schnelle
Montage: Nachdem der Kern betoniert war, wurden die
Geschosse in einem hydraulischen, damals neuartigen
Hubverfahren sukzessive an Ort und Stelle gehievt.
Während weiter unten neue Ebenen hinzukamen, konnte
ganz oben schon der Ausbau beginnen. Ein zweiter Vorteil
der Hängekonstruktion sind große, stützenfreie Innen-
räume, die entsprechend der Bürophilosophie jener Tage
als Großraum-Bürolandschaften eingerichtet wurden. Die
Fassade war seinerzeit ein Unikum: Die geschosshohen
Paneele aus Aluminiumguss wurden eigens aus Japan
antransportiert, da es in Europa noch keine Hersteller gab.
Die 2302 Fenster sind um neun Grad auswärts geneigt, um
Spiegelungen zu vermindern und die Aufheizung der
Innenräume durch Sonneneinstrahlung zu verringern.
Die denkmalgeschützte Fassade gehört zu jenen Bauteilen,
die bei der jüngsten Sanierung unangetastet blieben.
Lediglich die bedampften Glasscheiben wurden durch licht-
durchlässigere Exemplare ersetzt; die Aluminiumpaneele
wurden dagegen mit Seifenwasser gereinigt und anschlie-
ßend auf Hochglanz poliert. Neu ist die Haustechnik im
BMW-Hochhaus. Sie beginnt schon an der Fassade: Wo die
Angestellten früher in hermetisch abgeschlossenen
Innenräumen arbeiteten, lässt sich nun jeder dritte
Fensterflügel öffnen, und während früher eine zentrale
Klimaanlage die Luft im gesamten Haus umwälzte, gibt es
nunmehr dezentrale Heiz-Kühlelemente in den Decken. Die
technische Gebäudeausrüstung nimmt nur noch ein Drittel
so viel Platz ein wie vor dem Umbau. Weil andererseits die
Ansprüche an die Verkabelung der Arbeitsplätze seit 1973
exorbitant gestiegen sind, wurden im Haus sämtliche Estri-
che entfernt und durch einen nur vier Zentimeter hohen
Doppelboden – eine Sonderanfertigung – ersetzt. Das Arbei-
ten in kreisrunden Großräumen ist geblieben, weil es sich
bewährt hat – bei Kreislösungen ist die Verkehrsfläche
gering, die Wege sind kurz. ASP Schweger Assoziierte eta-
blierten lediglich eine Trennung zwischen Technikbereichen
und Arbeitsplätzen. Erstere liegen nun in einer „aktiven“
Mittelzone, letztere in Fassadennähe. Glastrennwände mit
innenliegenden Jalousien, die von unten bis auf maximal
1,80 Meter hochfahren, schirmen die Büros der Abteilungs-
leiter bei Bedarf von den Gruppenräumen ab.
Die vielleicht unauffälligste Veränderung fand ganz an der
Spitze des Vierzylinderhauses statt: Das gewaltige Trag-
kreuz aus Sichtbeton, an dem die 16800 Tonnen schweren
Büroetagen hängen, glänzt nun ebenfalls aluminiumfarben.
Die hinterlüftete Verkleidung aus bis zu 5,5 x 9 Meter
großen, gekrümmten Alu-Paneelen wurde diesmal in Öster-
reich hergestellt.
Sanierung des BMW-Hochhauses in München
Als „Solitär mit dem technischen Glanz der Utopie“ bezeichnete Manfred Sack 1973
das gerade eingeweihte BMW-„Vierzylinderhaus“ von Karl Schwanzer in München.
1999 wurde die „Utopie“ unter Denkmalschutz gestellt und schließlich in den vergan-
genen zweieinhalb Jahren durch ASP Schweger Assoziierte saniert. Die Aluminium-
hülle des Wahrzeichens strahlt wieder wie am Tag der Eröffnung; im Inneren ist das
Gebäude jedoch kaum wiederzuerkennen.
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