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Landsberg am Lech, rund 40 Kilometer südlich von Augs-

burg, wirbt um neue Einwohner: An sechs Standorten bie-

tet die Kleinstadt auf ihrer Internetseite Baugrundstücke

zum Verkauf an. Doch keines von ihnen besitzt auch nur

annähernd die zentrumsnahe, außergewöhnliche Lage von

Haus L. an der Lechleite: Mit bis zu 75 Prozent Steigung

ragt der Hang rund 50 Höhenmeter über das Flussbett des

Lech. Hier bauen zu wollen, käme zunächst niemandem in

den Sinn, und so war die Parzelle, auf der heute das Haus

L. steht, zunächst auch für keine bauliche Nutzung vorge-

sehen. Doch der Bauherr, selbst Bauingenieur, und sein

Architekt Titus Bernhard begriffen die Einschränkungen als

Herausforderung: Sie machten der Denkmalschutzbehörde

ein Konzept schmackhaft, demzufolge das Haus von der

Alstadt aus nicht wirklich als Bauwerk, sondern lediglich

als gestaffelte Abfolge von Glasfronten in Erscheinung tritt.

Ihr entsprechen im Grundriss drei L-förmige, gegeneinan-

der versetzte Ebenen, die einen in den Hang geschnittenen

Hof rahmen. Um die Fassadenflächen und damit den

Lichteinfall zu maximieren, ist das schräg ansteigende

Dach parallel zum Hang leicht aufgefaltet. Den Stirnseiten

der betonierten Geschossebenen und des Gründachs sind

selbsttragende, vitrinenartige Glaskonstruktionen vorge-

setzt, die maßgeblich zum filigranen Äußeren des Hauses

beitragen. Sie liegen auf den Betonwänden der jeweils

darunter liegenden Ebene auf, kommen ohne Tragglieder

aus Stahl aus und werden durch die darin integrierten

Türelemente ausgesteift.

Die funktionale Zuordnung der drei Ebenen kehrt das sonst

aus dem Einfamilienhausbau Übliche um: Zuunterst woh-

nen die beiden Kinder der Familie, darüber die Eltern, und

ganz oben schließlich ist der Wohnbereich mit offenem

Kamin untergebracht. Eine einläufige Treppe erschließt,

einer Himmelsleiter gleich, die drei Ebenen. Von außen tritt

sie als Glaskeil in Erscheinung, der sich rechtwinklig zu

den drei Geschossebenen in den Berg schiebt. Der Blick

zurück, treppab, fluchtet exakt auf den barocken Turm der

nahegelegenen Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt.

Die Treppe trennt zugleich die dienenden (vor allem

Sanitär-) Räume im südlichen Gebäudeflügel von den

bedienten Räumen in den drei gestaffelten Geschoss-

ebenen. Während Letztere ihr Licht durch die Glasfassaden

erhalten, wird die Nebenraumzone durch Oberlichter

erhellt. Die ausschließliche Westorientierung des Hauses

machte einen Blendschutz notwendig, der auch vor uner-

wünschten Einblicken stört: Die nach Westen orientierten

Wohnräume wurden nach Baufertigstellung mit raumhohen

Vorhängen ausgestattet. Die Raumoberflächen im

Gebäudeinneren sind hell und überwiegend warmfarbig:

weiße, gefilzte Wände, Sichtbetondecken, Eichenparkett

mit breiten Stäben in den Wohnräumen sowie Platten aus

Jurakalk in den Bädern. Eine geringe, kalkulierte Uneben-

heit in der Wandverkleidung lässt die Steinstruktur im

Streiflicht lebendig hervortreten.

Die Einbettung des Hauses im Hang erwies sich letztlich

als Kunstgriff mit mannigfachen Vorteilen. Sie überzeugte

nicht nur die Denkmalbehörde, ein modernes Wohnhaus

dieser Größenordnung im Altstadtgebiet überhaupt zuzu-

lassen, sondern brachte auch handfeste energetische

Vorteile. Durch die im Verhältnis zum Volumen minimierten

Fassadenflächen erfüllt Haus L. immerhin den Passiv-

hausstandard.

Haus L. in Landsberg

Nahe der Altstadt von Landsberg am Lech, in Hanglage oder, expliziter: in einem

Berghang, hat sich die Familie L. ihr neues Wohnhaus errichten lassen. Der Entwurf

von Titus Bernhard Architekten verwandelt die durch den Standort vorgegebenen

Einschränkungen in Vorteile: Aus allen drei Geschossen ihres Hauses genießen die

Bauherren freie Sicht auf den Stadtkern, ohne über einen Mangel an Privatsphäre

klagen zu können.

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