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JOHANNES WESLING KLINIKUM IN MINDEN

INTERVIEW

PORTAL:

Ist die Entwicklung zum Großklinikum ökonomisch

oder medizinisch zwingend? Wie sichern Sie als Architekt

in einer Hochleistungsmaschinerie, in der sogar Roboter

arbeiten, ein dem Heilungsprozess förderliches mensch-

liches Umfeld?

HARALD KLÖSGEN:

Nach wie vor haben wir in Deutschland

die Gliederung in Krankenhäuser der Grund-, Schwerpunkt-

und Maximalversorgung. Gerade letztere haben mit ihrem

hoch effizienten und umfassenden Leistungsangebot und

entsprechend differenzierter Technik einen über die Regio-

nalversorgung hinausgehenden Auftrag. Krankenhäuser der

Maximalversorgung entstehen also nicht aus ökonomischen

Zwängen, sondern aus medizinischer Notwendigkeit. Das

erweiterte Angebot an Leistungsfähigkeit erfordert notwen-

digerweise auch Gebäude mit einem entsprechenden Um-

fang an Flächen und Räumen.

PORTAL:

Besteht nicht gerade in horizontal ausufernden

Anlagen die Gefahr, dass die Wege für das Personal wie

auch für die Ärzte immer länger werden und damit für die oft

so notwendigen Gespräche mit den Patienten immer weniger

Zeit bleibt?

HARALD KLÖSGEN:

Der vertikale Weg mag vielleicht kürzer

sein, er ist aber nicht unbedingt schneller. Unter Berück-

sichtigung von Wartezeiten vor Aufzügen dauert er oft so-

gar länger. Von grundlegender Bedeutung in der Kranken-

hausplanung ist es, Funktionsbereiche einander so zuzu-

ordnen, dass inhaltliche und räumliche Nähe miteinander

korrespondieren. Wege, die häufig gegangen werden,

müssen kurz sein. Außerdem entspricht die horizontale

Ausrichtung dem menschlichen Maßstab. Das Klinikum

Minden ist fast durchgehend dreigeschossig. Das sind ver-

trägliche Gebäudehöhen von durchschnittlich 12 Metern.

Dazwischen liegen Gärten beziehungsweise Gartenhöfe,

die über eine Breite von 20 bis 22 Metern gehen. Die trans-

parenten Haupterschließungsachsen mit drei über allen

Ebenen offenen Zentren, mit Aufzügen und einladenden

Treppenläufen, Cafés und Restaurants sowie Sitzbereichen

gliedern die Anlage und geben Patienten und Besuchern

überall Orientierung sowie einen Bezug nach außen. Wenn

dies nicht mehr gegeben ist, ist die Grenze von horizontal

angelegten Krankenhausanlagen erreicht.

PORTAL:

Lassen sich die Synergie-Effekte der Zusammen-

legung aller Fachabteilungen quantifizieren? Wie oft sind

denn unterschiedliche Fachrichtungen an der Behandlung

eines Patienten überhaupt beteiligt?

HARALD KLÖSGEN:

Die zentrale Idee ist zunächst einmal,

grundsätzlich Arbeitsprozesse im Krankenhaus zu optimie-

ren. Dabei spielen auch medizinische und ökonomische

Fragen eine Rolle. Ein verbesserter Arbeitsprozess kommt

aber zuerst einmal dem Patienten zugute. Zeitlich aufeinan-

der abgestimmte und räumlich zusammenliegende konsiliari-

sche Untersuchungen und Behandlungen bedeuten weniger

Transporte, weniger Wartezeiten und damit kürzere Behand-

lungszeiten. Durch die immer weiter fortschreitende Spezi-

alisierung in der Medizin ist es mehr denn je notwendig,

interdisziplinär, also fachübergreifend und ganzheitlich zu

denken, um damit im Sinnne des Patienten eine optimale

Behandlung zu koordinieren. Es werden übrigens nur be-

stimmte Funktionsbereiche interdisziplinär strukturiert und

zentralisiert. Es wird weiterhin Spezialbereiche geben mit

individueller Aufgabenstellung und besonderer Raum- und

Geräteausstattung.

PORTAL:

In welchen Punkten halten Sie das medizinische

Modell der Maximalversorgung innerhalb eines Gebäudes

noch für verbesserungsfähig? Oder sollte man zwischen opti-

maler Erstversorgung und idyllischer Nachversorgung tren-

nen, die Zeit nach einem schweren Eingriff also dort verbrin-

gen, wo in kleineren Einheiten die Pflege der Patienten im

Mittelpunkt steht?

HARALD KLÖSGEN:

Das Gesundheitswesen und damit der

Krankenhausbau wird auch in Zukunft Veränderungen und

Entwicklungen erleben. Abgestufte Pflege, alternative Pfle-

gekonzepte und private Pflegeorganisationen bis hin zu

Patientenhotels sind Ideen, die Berücksichtigung in Kli-

nikumsplanungen finden werden. Der Pflegebereich ver-

wandelt sich mehr und mehr zum Wohnbereich des Patien-

ten. Ihm wird gerade in großen Kliniken eine besondere

Bedeutung zukommen. Mit sich ändernden Vorstellungen

vom Wohnen ändert sich auch der Anspruch des Patienten

in Bezug auf die Pflege im Krankenhaus. Ob vor diesem

Hintergrund das Mehrbettzimmer überhaupt noch die pas-

sende Antwort ist, bleibt fraglich.

Mit dem Argument ökonomischer Zwänge werden immer mehr kleine

Krankenhäuser zu großen Einheiten der Maximalversorgung zusammenge-

legt. Über die Vorteile und Risiken dieser Entwicklung sprach Portal mit

Harald Klösges von TMK Architekten, Architekt und Projektleiter des neuen

Klinikums in Minden.

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