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DR. SUSANNE LIEHR
geboren 1960 in Freiburg / Breisgau
1983 – 90 Studium der Kunstgeschichte,
Baugeschichte und Neueren
Geschichte an der Technischen
Hochschule Karlsruhe
2000
Promotion
seit 1998 Als freiberufliche Wissenschaftlerin
und Autorin in Berlin tätig
Diverse Veröffentlichungen zu zeit-
genössischer Kunst und Architektur
Einer der großen Vordenker utopischer Baukunst ist der in
Paris lebende Ungar Yona Friedman. Konträr zum vorherr-
schenden Internationalen Stil der Nachkriegsmoderne ent-
wickelte er bereits Ende der 50er-Jahre das Konzept einer
„mobilen Architektur“ mit größtmöglicher Freiheit für die
Menschen darin. Mit der Raumstadt, „La Ville Spatiale“,
lassen sich existierende Städte in die Höhe verdichten und
netzartig überformen. In mehreren Ebenen tragen zwölf
Meter hohe Pylone ein Raster für flexible Parzellen, die von
den Bewohnern selbst nach ihren individuellen Bedürfnis-
sen ausgestaltet werden können.
Mit flexiblen Einzelteilen innerhalb großer Strukturen be-
schäftigten sich auch die Metabolisten in Japan in den 60er-
Jahren. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsexplosion
und des knappen Raums in den Ballungszentren konzipierte
Kenzo Tange das real-utopische Projekt einer Erweiterung
von Tokio in die Meeresbucht hinaus. Eine gigantische, dy-
namisch wachsende Brückenstadt auf Stelzen in 50 Meter
Höhe, geplant als lineare Stadtachse für fünf Millionen
Menschen. Wieder andere Metabolisten entwarfen futuri-
stische Megastrukturen für die organisch wachsende
„Agricultural City“ und die spiralförmige „Helix City“.
Zellulare Strukturen und Wachstumsprozesse in der Natur
waren auch für den Amerikaner Richard Buckminster
Fuller richtungsweisend für eine strukturelle Geometrie, die
sich in seinen „geodätischen“ Kuppelkonstruktionen nie-
derschlug. Als Pionier der Ökologie propagierte er schon
in den 30er-Jahren Recycling und die Nutzung erneuer-
barer Energiequellen und prägte lange vor dem ersten
Weltraumflug das Wort vom Raumschiff Erde. Für New York
sah er die Lösung aller Klimaprobleme in einer giganti-
schen Glaskuppel, die Teile Manhattans hermetisch über-
wölben und so vor den Widrigkeiten des Wetters wie auch
des radioaktiven Fallouts schützen sollte.
An Weltraumfahrt und Raketenstartrampen lassen die
Entwürfe der englischen Architektengruppe Archigram
denken. Die technikbegeisterten Architekten suchten radi-
kale Alternativen zum konventionellen Wohnen und zu
starren städtischen Strukturen und träumten von wan-
dernden Metropolen. In „Walking City“ überwinden tech-
noide Stadtraumpanzer in kolossaler Größe alle Grenzen
und besiedeln den Erdball. Auf Teleskopbeinen bilden die
käferartigen Stadtnomaden zu Wasser und zu Lande ein
Netzwerk, das über verlängerbare Röhren miteinander
Entwurf für eine geodätische Kuppel über dem Zentrum Manhattans von
Richard Buckminster Fuller, 1962
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aus: Exit Utopia, Prestel Verlag, München, 2005
aus: Visionäre Stadtentwürfe der sechziger Jahre, Hatja Cantz Verlag, Ostfildern, 2008
aus: Berlin und seine Bauten, DOM Publishers, Berlin, 2009
Plan für Tokio von Kenzo Tange, 1960