Background Image
Previous Page  10 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 10 / 36 Next Page
Page Background

Geboren in den Bars

der Rotlichtmilieus von Argentinien,

gilt der Tango weltweit als erotischster Tanz. Sinn macht

also diese Assoziation des Wettbewerbsentwurfs für die

beiden Bürotürme auf der Reeperbahn aus dem Jahr 2003,

die in Kopenhagen, Wien, Marseille und Malmö schon

Nachahmer gefunden hat. Die 770 Stützen der Tanzenden

Türme neigen sich bis zu 7,5 Prozent zur Seite. Beide Tür-

me verfügen über schräg gestellte Außenstützen in Fertig-

teilbauweise, die im 6. beziehungsweise 17. Obergeschoss

ihre Richtung ändern. Die bei diesem Bau erstmals einge-

setzten schrägen Stützen sorgen mit ihrem hochfesten

Betonstahl und einer entsprechenden Verankerung inner-

halb der Decke für die notwendige Stabilität. Ohne jede

Norm war der Nachweis dafür experimentell zu erbringen.

Bis zu drei Metern neigt sich das Tanzpaar aus der Verti-

kalen. Die Grundrisse verschieben sich dabei, bleiben

jedoch deckungsgleich. Die Fassaden überspielen die

Schrägen einschalig mit Hilfe eines Blechrahmens, der

Zweischaligkeit allein in der Struktur realisiert. Fassaden,

Fenstertechnik und offener Sonnenschutz müssen auf

ihrem Weg zur Gebäudespitze 16 verschiedene Neigungs-

winkel überwinden. Das Belüftungselement ist mit einer

orkanfesten Prallscheibe versehen. Das gesamte Ensem-

ble, zu dem am Fuß des Hochhauspaares auch ein Hotel

mit 215 Zimmern hinter einer den Zimmerrhythmus über-

spielenden Glasfassade gehört, ist dagegen natürlich be-

lüftet. Nur das Hotel kann zusätzlich auch mechanisch

belüftet werden. Bei Dunkelheit sollen die Türme in Zu-

kunft durch LED-Lichtbänder an der Unterseite der Prall-

scheiben belebt werden. Abseits des Bürobetriebs des

Strabag Konzerns, der auch Bauherr ist, und einiger Mie-

ter liegen die Attraktionen in den Restaurants der Erdge-

schosszone und dem Nobelrestaurant mit Sky-Bar und

fantastischer Aussicht im 23. Obergeschoss. Vor allem

aber lockt nach langer Pause fast am alten Standort der

Mojo Club, dessen Domizil zum größten Teil unterirdisch

ist und abends über im Boden versteckte Treppenzugänge,

die sich aus dem Vorplatz heraus öffnen, erreichbar ist.

Den Besucher erwartet ein 1.600 Quadratmeter großes,

zweigeschossiges Tanz- und Musik-Paradies. Das 9 Meter

hohe unterirdische Gewölbe ist aus akustischen Gründen

in die Tiefgarage frei eingehängt. Das Tanzen beschränkt

sich damit nicht nur auf die wechselnden Fassadenbilder,

die selbst Sonne und Wolken noch mit ungewöhnlichen

Reflexen irritieren können. Die Resonanz des Publikums

auf die schiefen Türme von Hamburg lässt sich auf der

Aussichtsplattform des Michel am besten messen. Schon

weit vor der Fertigstellung des Dachrestaurants mit wind-

geschützter Außenterrasse, des legendären Mojo Club im

Untergrund mit seinen hydraulisch bewegten Bodentoren

und der künstlerisch ausgestalteten, viergeschossigen

Lobby (Herbst 2012) ist das tanzende Turmpaar des einst-

mals größten Vergnügungsviertels der Welt zu einer neuen

Attraktion und einem Orientierungspunkt ganz Hamburgs

geworden. Mit der erhöhten Geländeposition erreichen die

Zwillingstürme fast die Spitze der Elbphilharmonie.

Das architektonische Tangopaar markiert Hamburgs Rotlicht- und Vergnügungsviertel

St. Pauli weithin sichtbar im Stadtbild. Am prominenten Standort auf dem Hamburger

Elbberg hat BRT Architekten LLP den Beginn der Reeperbahn mit zwei tanzenden

Bürotürmen besetzt. Die schillernde Glasfassade ändert mit jedem Schritt der Pas-

santen ihr Erscheinungsbild und scheint in Bewegung zu geraten.

BÜROTÜRME IN HAMBURG

10