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08

BIBLIOTHEKEN

Inseln im Datenstrom

Neben gestalterischen und medientheoretischen Überle-

gungen rückt die Gestaltung von Bibliotheken aber auch

aus einem weiteren Grund in den Fokus aktueller Debat-

ten. Im zeitgenössischen städtischen Umfeld, in dem die

Belange des öffentlichen Raumes mit einem immer stärker

werdenden Privatisierungsdruck und gesellschaftlichen

Kontrollmechanismen kollidieren, die Passagen von

Shopping-Malls zunehmend überwachte Zonen etablieren,

bietet die Bibliothek ihren Nutzern einen geschützten Rück-

zugsort. Der französische Philosoph Michel Foucault be-

zeichnet diese besonderen Zonen als „Heterotopien“,

Räume, in denen gewohnte gesellschaftliche Regeln außer

Kraft gesetzt sind, in denen eigene Gesetze herrschen.

Bibliotheken bilden in diesem Sinne inklusive Orte, Orte,

an denen Kontemplation und kreativer Widerstand möglich

werden und in denen sich das Wissen keinen Zwängen

unterwerfen muss: In ihnen manifestiert sich das Ideal

gesellschaftlicher Teilhabe.

H.G. Wells Glaube an wissenschaftliche Segnungen, wich

zum Ende seines Lebens kolossaler Ernüchterung. Seines

Erachtens machte die zunehmende Komplexität und Un-

übersichtlichkeit der modernen Welt produktiven geistigen

Fortschritt unmöglich. Vielleicht würde er seine Meinung

heute ändern, denn trotz der unermesslichen globalen Da-

tenflut existieren noch immer Orte, an denen Nachdenken,

Kontemplation und Muße möglich sind.

In der surreal anmutenden Architektur der Google-Datenzentren steht die

Maschine im Mittelpunkt. Mehr als 2,26 Milliarden Kilowattstunden Strom

verbrauchten diese Einrichtungen im Jahr 2010, das entspricht in etwa

dem Stromverbrauch einer Stadt mit 200.000 Einwohnern (diese und

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