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auf eine alleinige Nutzung als Bürogebäude festgelegt hät-

ten. Das Stützenraster und die Tiefe des Gebäudes sind so

gewählt worden, dass neben einer Büro- auch eine

Hotelnutzung vorstellbar ist. Meines Wissens haben hierfür

sogar konkrete Gespräche mit einem Interessenten statt-

gefunden. Heute ist die gesamte Planung aber auf eine fle-

xible Büronutzung ausgelegt. Die Deutsche Bahn erwägt,

ein Bügelgebäude komplett zu nutzen. Im anderen sind

kleinere Büroeinheiten ebenso denkbar wie Kombi- oder

Großraumbüros – dank interner Treppen auch über mehre-

re Etagen hinweg.

PORTAL:

Das Glasdach in Ost-/West-Richtung wurde

gegenüber Ihrem Entwurf um fast ein Drittel gekürzt.

Welche Konsequenzen hat das für Sie?

JÜRGEN HILLMER:

Der Entwurf mit seiner Betonung der

Gleistrassierung und damit der Hervorhebung des

Bahnhofes als Eisenbahnkreuz wird auch durch ein kürze-

res Dach nicht zerstört – mit Sicherheit aber gestört.

Das Glasdach, das vorher mit seinen 430 Metern im

Gleichgewicht zu den Bügelgebäuden stand, wirkt nun wie

verstümmelt. Aber auch innenräumlich wirkt sich die

Verkürzung fatal aus. Die Dynamik und Eleganz, die vorher

zu spüren waren, sind erheblich abgeschwächt worden.

Doch es gibt für die Passagiere auch einen viel wesentli-

cheren Nachteil: Bei langen ICE-Zügen werden

Passagiere, die im vorderen oder hinteren Zugteil aus- und

zusteigen, über mehr als 100 Meter im Regen stehen – und

das bei einem Bahnhof dieser Größe und Bedeutung. Das

ist geradezu absurd, wenn man bedenkt, dass in Deutsch-

land auf Bahnhöfen jeder Größenordnung zusätzliche

Bahnsteigdächer gebaut wurden und immer noch werden,

um genau dies zu verhindern.

PORTAL:

Befürchten Sie Klagen wegen zusätzlicher

Schallbelästigung für die Anwohner?

JÜRGEN HILLMER:

Auf Grund der Verkürzung des Daches

erhöhen sich die Schallemissionen auf die umliegenden

Grundstücke, die zur Zeit noch entwickelt werden. Das

dürfte die Grundstückswerte gravierend mindern. Das Land

Berlin hat daher 2002 Klage vor dem Bundesverwaltungs-

gericht gegen das Eisenbahnbundesamt und damit die

Bundesrepublik Deutschland erhoben, die die

Genehmigung für die Kürzung des Daches erteilt hatte.

Meines Wissens ist die Klage gescheitert.

Die erhöhten Schallbelästigungen bleiben dennoch.

PORTAL:

Können Sie sich, nach all den Problemen auch

mit der Decke in der Nord-Süd-Halle, noch mit dem

Ergebnis der Bauarbeiten identifizieren?

JÜRGEN HILLMER:

Der Lehrter Bahnhof ist Gott sei Dank

mehr als nur das Glasdach oder die abgehängte Decke der

unterirdischen Bahnhofshalle – obwohl wir das Gebäude

gerade durch die Streichung unserer „Gewölbedecke“, die

wir über Jahre speziell für die unteren Geschosse des

Bahnhofs entwickelt hatten, in diesem Bereich aufs Übel-

ste entstellt sehen. Statt dessen wird nun eine billigste

Flachdecke eingebaut, die von einem anderen Architekten

hinter unserem Rücken entworfen wurde. Der Verlust wird

schon heute, noch während des Bauens, vielen klar, und

ich meine hiermit nicht nur die Planungsbeteiligten, son-

dern auch Außenstehende, die das Gebäude während der

letzten Monaten besichtigt haben. Dennoch identifizieren

wir uns sehr wohl mit den anderen Teilen unseres

Gebäudes, ist doch unsere ganzheitliche Konzeption nach

wie vor zu erkennen. Ich hoffe sehr, dass der neue Lehrter

Bahnhof zu einer Verbesserung des Images und damit zu

einer „Renaissance der Bahnhöfe“ beitragen wird.

Circuit Park Zandvoort

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Peter Wahl

, Dipl.-Ing.Architekt, Geschäftsführer und

Partner bei Tilke GmbH Ingenieure und Architekten

JÜRGEN HILLMER

Dipl.-Ing. Architekt, geboren 1959 in

Mönchengladbach

bis 1988 Architekturstudium in

Braunschweig

1988-1992 Mitarbeit im Büro von Gerkan,

Marg + Partner, Hamburg

1992-1995 freiberuflicher Architekt in

Haltern, Nordrhein-Westfalen

1994

Assoziierter Partner im Büro

von Gerkan, Marg und Partner

seit 1998 Partner bei von Gerkan, Marg und

Partner

seit 1994 Leitender Partner des Projektes

Lehrter Bahnhof in Berlin

seit 1999 Leitender Partner des Projektes

Flughafen Hamburg, Terminal 2+3

Foto: Heiner Leiska

Kreuzungs-Architektur: Modell des Lehrter Bahnhofs in Berlin.