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An den Anruf vom 4. Februar 2000 dürfte sich die damalige

dänische Kulturministerin noch lange erinnern: Am Telefon

war Mærsk McKinney Møller, Chef des weltgrößten

Transportunternehmens Maersk und Dänemarks wichtigster

Steuerzahler. Er habe im Jahr zuvor Dokøen, die alte, teils

naturgeschützte Dockinsel gegenüber dem königlichen

Schloss Amalienborg, erworben und wolle dem dänischen

Volk hier nun eine neue Stätte der Kultur errichten. Was

genau, dürften sich Stadt und Staat selbst aussuchen.

Finanziert werden sollte der Neubau durch die gemeinsame

Stiftung Møllers und seiner Ehefrau Chastine McKinney.

Die Wahl der dänischen Regierung fiel auf ein neues Opern-

haus, und Møller willigte ein. Er verfolgte neben der kulturel-

len auch eine städtebauliche Mission: Die Oper sollte den

glanzvollen Schlusspunkt einer barocken Stadtachse setzen,

die von Eigtvelds Marmorkirche von 1794 durch den acht-

eckigen Königspalast zum Hafen hinunterführt. Der Blick, der

hier gleichsam „in die weite Welt“ schweifte, sollte künftig

schon am anderen Ufer des Hafenbeckens ein Ende finden.

Mit Flugdach und Kühlergrill

Den Direktauftrag für den Neubau erhielt Henning Larsen,

und einen straffen Zeitplan dazu: Nach vier Jahren, zum 100-

jährigen Firmenjubiläum des Maersk-Konzerns, forderte

Møller, musste die Oper fertiggestellt sein. Das gelang –

auch wenn die Baukosten von ursprünglich kalkulierten 200

auf 335 Millionen Euro stiegen.

Die Oper umfasst insgesamt 41400 Quadratmeter Fläche,

davon 12000 in fünf unterirdischen Geschossen. Ihr markan-

tes Kennzeichen ist ein 90 x 158 Meter großes Flugdach, das

an Jean Nouvels Konzerthaus in Luzern erinnert.

Es ist bis zu drei Meter stark und kragt vorn um 32 Meter aus.

Frühe Lagepläne verraten noch, was sich Larsen darunter

zunächst vorstellte: ein rechtwinkliges, gläsernes Foyer, das

schon vom gegenüberliegenden Hafenufer den freien Blick

auf das Auditorium erlaubte. Møller indessen diktierte ihm

eine quergestreifte Konstruktion aus viel Stahl und wenig

Glas, die im Volksmund schnell den Spitznamen „Kühlergrill“

verpasst bekam. Doch die Rundform ist auch räumlich pro-

blematisch: Zwischen den Treppen zu den Galerien und den

Tischen des Operncafés bleibt kaum noch Platz zum

Flanieren. Erst in den Obergeschossen gewinnt das Foyer an

Weite und an Ausblick.

Neue „Aussicht“ für die Altstadt

Henning Larsen hat sich von seinem Neubau inzwischen

distanziert – er nannte die Fassade einen „misslungenen

Kompromiss“. Die Aussicht von Schloss Amalienborg

werde „verbaut“, schrieben Kritiker von Anfang an – und

sie behielten Recht. Nähert man sich dem Neubau von

Süden oder Norden, so setzt er einen willkommenen Akzent

im Niemandsland der Docks und Lagerhallen. Frontal von

Westen gesehen, wirkt er dagegen maßstabsverzerrend:

Als hätte ein Überseedampfer am Kai hinter Schloss

Amalienborg festgemacht. Doch dieses „Schiff“ mit seiner

gläsernen Kommandobrücke wird so schnell nicht mehr

den Anker lichten. Es bleibt und wird sicher auch seinen

Stifter überleben. Die Kopenhagener, so scheint es indes-

sen, haben sich mit ihrem neuen, aufdringlichen Nachbarn

durchaus angefreundet: Die Führungen durch den Neubau

waren schon Anfang März für den Rest der Saison komplett

ausgebucht.

Oper in Kopenhagen

Die Genese von Henning Larsens neuer Oper in Kopenhagen ist ein Novum:

Erstmals wurde ein öffentliches Bauwerk zur Privatsache eines reichen

Mannes gemacht. Der 91-jährige Reeder A.P. Mærsk McKinney Møller diktierte

Staat und Steuerzahlern seine Bedingungen und dem Architekten seine

Gestaltungswünsche. Schließlich ist die neue Oper ein Geschenk Møllers an

Dänemark. Ein Danaergeschenk, wie Kritiker inzwischen meinen.