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PORTAL
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Dominik Reding
geboren 1969 in Dortmund. 1989–93 Architekturstudium an der RWT Aachen.
Anschließend Tätigkeit in verschiedenen Architekturbüros (u. a. BRT),
1993–97 Filmstudium an der HfBK Hamburg, parallel als Drehbuchautor tätig.
1997 Diplom. 1998 Gründung der eigenen Filmproduktion (Eye!Warning) in
Berlin mit seinem Zwillingsbruder Benjam Reding.
Benjamin Reding
geboren 1969 in Dortmund. 1988–90 Studium der Archäologie und Kunstge-
schichte an der Ruhruniversität Bochum. 1991 Regieassistent am Schau-
spielhaus Bochum, 1993 professionelle Schauspielausbildung in Stuttgart,
1995 Diplom. Anschließend Mitglied des Ensembles im Staatstheater Stutt-
gart. 1998 Gründung der eigenen Filmproduktion mit Dominik Reding (s.o.).
www.eye-warning.deFür den unbekannten Hund
Das einfühlsame Drama um
Schuld und Sühne besticht
nicht nur durch eine schlüssige
Geschichte, sondern auch
durch das gelungene Spiel der
Schauspieler, die zum großen
Teil das erste Mal professionell
vor einer Filmkamera standen.
Auch überzeugt der Film mit
einem durchdachten Farbkon-
zept und einer glaubwürdigen
Abbildung des Wandergesel-
lenlebens. Fazit: Ein dramati-
scher Streifen, der zum Nach-
denken anregt.
PORTRÄT
Ruine wieder so her, wie sie zuvor ausgesehen hatte: Eine
unkrautüberwucherte, seit 20 Jahren aufgegebene Ost-Tank-
stelle vor den Toren von Wismar.
Die Tagungshaus-Szene
Mit einer bitteren Enttäuschung endet für Bastian die Wan-
derschaft. Auf einem Gesellentreffen soll über seine Auf-
nahme in die Gesellenvereinigung entschieden werden. Und
die Gruppe entscheidet sich – gegen ihn. Im Drehbuch findet
diese schicksalhafte Zusammenkunft in einem Tagungshaus
des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) statt. DGB nicht
nur deshalb, weil für Wandergesellen eine Mitgliedschafts-
pflicht im Gewerkschaftsbund besteht und Gesellentreffen
auch in der Realität in DGB-Tagungshäusern abgehalten
werden, sondern wegen der Optik. Als Gegenentwurf zum
brutalen, entwürdigten Menschenbild der Nazizeit dulden
diese Gewerkschaftsbauten der 1950er-Jahre mit ihren gro-
ßen Glasflächen, glatt gewienerten Böden aus Solnhofener
Platten, weiß gelackten Wänden und hohen, weiten Räumen
kein Verstecken, keine Heimlichkeiten, kein unwahres Wort.
Hier bestand für uns die inhaltliche Analogie zum Läute-
rungsprozess des jugendlichen Totschlägers Bastian. Auch
von ihm fordert die Gesellenvereinigung Wahrhaftigkeit und
ein soziales, solidarisches Verhalten.
Im südlichen Rheinland, auf dem Gelände einer stillgelegten
Chemiefabrik hatte sich ein Feierabendheim, der ehemalige
Veranstaltungs- und Partyort für die Mitarbeiter des unterge-
gangenen Werks erhalten. Eine statisch gewagte Schalen-
konstruktion, die mit ihren glasausgefachten Betonwänden,
geschwungenen Treppenläufen und glänzendem Kunststein-
boden genau jene Hier-kommt-der-bessere-Mensch-Archi-
tektur mitbrachte, die unser Drehbuch forderte.
Aber die Szene verlangte noch mehr: Im Moment der Ab-
lehnung bricht für Bastian eine Welt zusammen. Wir wollten
diesem „Weltzusammenbruch“ ein Bild geben, Bastians Ab-
sturz ins Bodenlose wörtlich nehmen. Das DGB-Tagungs-
haus sollte von einer Welle der Verzweiflung erfasst und der
geläuterte Totschläger mitsamt dem Bauwerk hinweggespült
werden.
Was man als Zuschauer in einem Film zu sehen glaubt, ent-
steht im Kopf. Ob das Tagungshaus in der Realität oder digi-
tal oder mithilfe eines Modells einstürzt ist gleich, solange
dich als Zuschauer das gesehene Bild packt und bewegt.
Nach den originalen Entwurfszeichnungen aus dem Jahr
1958 wurde von einer Berliner Modellbaufirma eine 1:20-
Version der Tagungshaus-Eingangshalle, inklusive Türklin-
ken, Steckkontakten, Fensterrahmen, Lichtschaltern und
Benutzungsspuren zusammengebastelt.
Mit den realen Darstellern drehten wir im realen Feierabend-
heim die Schlusssequenz, dann, nur mit dem Bastian-Dar-
steller vor dem für die spätere Digitalbearbeitung technisch
nötigen grünen Tuch, dem sogenannten Greenscreen, den
Moment des Wassereinbruchs. Einige Wochen später wurde
in Berlin mit dem 1:20-Modell der eigentliche Sturz der Flut-
welle in das Tagungshaus gedreht. Selbst das Wasser war
manipuliert: mit schwarzer Tusche eingefärbt, um es gegen
den hellen Hintergrund der Eingangshalle sichtbarer zu
machen. Zuletzt wurden in einem digitalen Studio in Stuttgart
die real gedrehten Szenen aus dem rheinischen Tagungs-
haus mit den Greenscreen- und Modellaufnahmen aus
Berlin kombiniert, im Kopierwerk in Hamburg die Farb- und
Helligkeitswerte an- und ausgeglichen und das Ganze wäh-
rend der Tonmischung in Potsdam mit Trommelfell strapazie-
rendem Wasserfall-Donner vervollständigt. Und das alles
nur, damit das Kinopublikum erschrocken zusammenzuckt,
wenn Bastians Wirklichkeit gewordene Verzweiflungswelle
ihn und das Tagungshaus zerschmettert. Ganze 103 Stunden
Arbeit für eine einzige Minute im Film.