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Filmarchitektur dient. Sie will den Zuschauer informieren,

sie will ihn beeindrucken, sie will innere Vorgänge der Film-

figuren verbildlichen. Dazu nutzt sie trickreich alle erlaubten

und unerlaubten, sichtbaren und unsichtbaren Mittel. Es

geht um das Erzeugen von Gefühlen, es geht um das Simu-

lieren des dreidimensionalen Raums, es geht um perspekti-

vische Verzerrungen, geometrische Unmöglichkeiten und

optische Tricks, um Farben und ihre psychologische Wir-

kung auf den Zuschauer. Es geht, je nach Filmthema, auch

um Kunst- und Architekturgeschichte, um das detailge-

treue Nachbilden oder freie Interpretieren vergangener

Epochen. Es geht um ästhetisches Empfinden, es geht um

Geschmack und es geht nicht zuletzt auch um Logistik und

Machbarkeit, Finanzen und Arbeitsplätze. Immerhin sind

Filmarchitekturen Bauwerke, die, und sei es auch nur für

wenige Tage, nicht nur errichtet werden, sondern auch

statisch bestehen müssen.

Im Kinofilm „Für den unbekannten Hund“ verlangte die Story

mit ihrem Thema der Reise quer durch Deutschland, quer

durch die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und

Lebensentwürfe nach einer Vielzahl optisch extrem unter-

schiedlicher und räumlich weit entfernter Sets und Drehorte

– nicht nur gestalterisch, auch drehlogistisch eine echte

Herausforderung. Manches Problem war mit etwas Wand-

farbe und ein paar Baumarktbesuchen zu lösen. Zwei von

vielen Drehorten aber kosteten uns alle besonders viel Kraft,

alle Gedankenenergie und sämtliche Nerven.

Die Tankstellen-Szene

Unser Kinofilm sollte spektakulär beginnen. Mit einer Explo-

sion. Um die Spuren seines Totschlags zu verwischen, zün-

det Bastian den Ort des Verbrechens an. Eine Tankstelle am

Stadtrand von Wismar. Das Tankstellen-Set musste, ganz

gleich ob real existierend oder für den Film gebaut, drei

Voraussetzungen erfüllen: Weil hier ungehindert ein Mord

geschieht, musste die Tankstelle einen abgelegenen, vor-

städtischen Einruck machen, weil sich die Tankstelle in der

Filmhandlung in Wismar befindet, sollte sie optisch keinen

zu modernen, von Reklametafeln und Neonröhren überlade-

nen Glitzer-Look haben, sondern vergangen und „ostig“

wirken. Und weil die Tankstelle am Ende der Szene explo-

diert, musste sie in die Luft zu sprengen sein. Vor allem

Letzteres gestaltete sich schwierig. Sicher, man kann ein-

wenden, dass die Filmfritzen heute eh alles digital machen.

„Also was brauchen die noch eine echte Tanke, wenn die

es computergeneriert genauso krachen lassen können.“

Hier bitte ich um einen kleinen Selbstversuch: Schauen Sie

sich die Explosionen in den Filmen der letzten Jahre an.

Die für die Filmproduktion ausgewählte Tankstelle

Set-Entwurf der Tankstelle für den Film „Für den unbekannten Hund“

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