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sind die Hinterhalte passierbar, noch ruht die Zielplanung
in der geheimen Schublade. Heidi und der Geissenpeter
merken nichts, aber alles ist schon für den Abwehrkampf
vorbereitet. Der Fels, auf dem sie sitzen, ist künstlich.
Darunter verbirgt sich der 10,5-cm-Panzerturm. Der Friede
ist nur eine Pause. Die gilt es im Gebirge zu nützen. Zum
Eingraben. Im Schweizerinnern sitzt die Sicherheit. Aus
dem Fels saugt sie ihre stetige Kraft. Die ungeheure,
schwere, unterirdische Masse ist die Verankerung der
Abwehr. Was oben geschieht, ist Geschichte, was unten
bleibt, Ewigkeit. Auch nach der Menschheit steht das
Gebirge da. Und darin stecken immer noch die Bunker.
Der Bunker gehört zur Geologie, nicht zur Menschheit.
Der Stumme
Aber: Der Bunker ist unsichtbar. Er versteckt sich, tarnt sich.
Er will kein Ziel sein, weder der Aufmerksamkeit noch der
Artillerie. Der Bunker ist nur der Pilz, der einem Myzel ange-
hört, das unterirdisch ist. Oben ist er verwundbar. Unten
nicht auszurotten. Darum muss er sich über der Erdober-
fläche ducken, kleinmachen, unauffällig sein. Da hilft ihm
die Tarnung. Sie bettet ihn in seine Umgebung ein. Er zieht
jene Verkleidungen an, die ihm das Gelände vorschlägt.
Das Gewand des Felsen zum Beispiel, als Fluh oder Brocken.
Als Chalet, Bienenhaus, Dorfkäserei – immer ist er ganz
Kein Bunker lebt nur für sich allein, immer treten sie in
Schwärmen auf, genauer, in Ketten. Denn der Beruf des
Bunkers ist nicht, wie im deutschen Alltag gemeint wird,
das Aufbewahren von Gütern, sondern, eidgenössisch-
igelstachlig, das Sperren. Nur Ketten bilden Sperren. Sie
werden ins Gelände gelegt. Dazu braucht der Bunker den
Berg. In der Ebene ist er ratlos, verliert seine Kraft, denn
sein wahrer, militärischer Name ist nicht Bunker, sondern
Geländeverstärkung. Das beschreibt den Charakter und
Zweck des Bunkers genau. Er macht stärker. Dort, wo
das Gelände schon stark ist. Der Bunker ist unsere Stärke.
Die Drohung
Berg und Bunker sind eins. Der Berg ist im Weg, der Bun-
ker sperrt ihn. Gemeinsam sind sie dagegen. Keiner kommt
durch, den sie nicht lassen. Sie widerstehen. Sie sagen
nein. Sie widersagen dem Durchlass. Doch der deutsche
Radfahrer und automobilisierte Tourist, zur Abwehr deren
Väter die Bunker gebaut wurden, merkt nichts von der
Drohung, die ihn umgibt. Harmlos und vertrauensselig
fährt er über die geladenen Sprengobjekte und Panzer-
sperren, an Bunkern vorbei und durchs Schussfeld der
Festungsartillerie. Der Himmel ist blau und die Bergzacken
glitzern, doch mitten im Berge sind wir vom Tod umgeben.
Noch verbirgt die Geländeverstärkung ihre Stacheln, noch
Sie sind schwer zu entdecken, beinahe unsichtbar, und dennoch prägend für das
Selbstverständnis eines ganzen Landes - die Alpenbunker der Schweiz, heimliche
Symbole eidgenössischer Landesverteidigung. Der Autor Dominik Loderer erklärt,
dass der Bunker mehr ist als Architektur: Er ist die moderne Fortschreibung des
Mythos eines wehrhaften Volkes.
ALPEN
DAS WIRKLICHE IST UNSICHTBAR
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