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PORTAL
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angepasst, ruhig und im Hintergrund. Der Bunker ist ein an-
genehmer Gesellschafter in der Landschaft: Nie protzt er,
immer stapelt er tief. Kein Gebäude fühlt sich je in seinen
Vorrechten eingeschränkt. Der Bunker ist der ideale Mit-
bewohner. Immer bleibt er ruhig. Im Ensemble der Land-
schaft spielt er eine unsichtbare, unscheinbare Rolle. Seine
Anwesenheit wird kaum bemerkt. Wäre er aber verschwun-
den, entstünde ein Loch in der alltäglichen Wahrnehmung.
Das Sprengobjekt
Doch der Bunker ist immer eine Perle in der Kette. Das
beginnt mit dem Sprengobjekt. Das ist die erste Stufe des
Myzels. Dort, wo der Panzer durchwill, hindern wir sein
Fortkommen. Wo der Lastwagen hinübermuss, sprengen
wir die Brücke. Am Taleingang ist die Eisenbahnlinie zer-
fetzt und die Strasse ein Krater. Dabei gilt die Regel: Kein
Sprengobjekt ohne Bunker, keine Sperre ohne Feuer-
schutz. Oben in der Bergflanke, am Ende der Toblerone-
Panzersperre, entdeckt das geübte Auge den Bunker.
Wie sieht er aus? Er ist ein Stück Felswand. Doch gibt es
auch die berühmten Häuschen, genannt Chaletbunker,
putzig getarnt zur Unkenntlichkeit. Darin sitzt eine 9-cm-
Panzerabwehrkanone Baujahr 1950 oder ein Maschinen-
gewehr Maxim 1911. Dazu neun Mann, die warten. Auf
den Feind. Der, das wissen die Insassen, ist bös, stark
und mechanisiert. Es ist der Kampf der Fussgänger gegen
die Panzerfahrer, wie einst die alten Schweizer im Hirten-
hemd gegen die gepanzerten Ritter zu Pferde. Mit der
Hellebarde haben sie die vom Pferd gezerrt und totgeschla-
gen. Mit dem Bunker werden sie es den Panzern zeigen.
Die werden sich ihre mechanischen Zähne am Felsen
ausbeissen. Und am Gelände, besser noch, am Engnis.
Wir reduzieren ihre breite Front auf null. Dort müssen sie
stehen bleiben und sind ein leichtes Ziel. Das wir schon
vorbereitet haben.
Das Festungswerk
Dazu kommt die zweite Stufe des Myzels, die Artillerie-
festung. Nur die Rohre der Kanonen ragen heraus. Im
Untergrund ist das Werk. Die unterirdische Fabrik für die
Herstellung von Artilleriebeschuss, abgefeuert von blinden
Maulwürfen, die nie wissen werden, wohin sie geschos-
sen haben. Das Werk ist der Behälter des unterirdischen
Lebens, ein System von Bohrgängen durch den Fels. Sicht-
bar ist nur ein Prozent davon: der Eingang, der Notausgang,
die Feuerstellungen und die Funknische. Alles getarnt und
darum nicht zu erkennen. Es gibt keine Bunkerarchitektur
in den Bergen, es gibt nur die Tarnung. Doch, es gibt sie,
doch ist es reine Innenarchitektur. Es ist der rohste Funk-
tionalismus, den man erfinden kann. Es herrscht der unge-
hemmte Zweck. Er wird mit dem Minimum an Mitteln erfüllt.
Komfortstufe null, Platzreserven negativ, Innenweltbedin-
Ob als Bergspitze oder Almhütte, die Bunker der Schweiz entziehen sich
den Blicken des Betrachters (vorherige und diese Seite).