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SCHÖRGHUBER

Ihre rituelle Nutzung steht klar im Vordergrund. Hier werden

Geburten gefeiert und Hochzeiten abgehalten. Die Mitgift

der Braut wird hier aufbewahrt, das ganze Haus wird zum

Symbol der geschmiedeten Allianzen zweier Familien. Auf

der anderen Seite ist der Zigeuner-Palast eine Institution,

vergleichbar mit dem, was für unsereins das Gerichts- oder

Regierungsgebäude ist. Gerade für die Kalderasch steht

diese Einrichtung über allem. Es ist gewissermaßen das

Grundmodul ihrer gesellschaftlichen Ordnung und des

Zusammenlebens und wird von keiner anderen Form des

Zusammenhalts in ihrer starken sozialen Familienstruktur

übertroffen.

Respekt und Glück

Die Zigeuern-Paläste sind aber auch als Symbol für

dem Besitzer und seiner Familie gegenüber zu zollenden

Respekt (pakivale) sowie dessen Glück (baxt) zu verste-

hen. Beiden Begriffen kommt in der Kultur der Roma eine

große Bedeutung zu – sie sind die Basis für das, was unter

den Roma als Reichtum gilt. Die Bauherren wollen ihren

Wohlstand zeigen, auch wenn dafür das gesamte Vermögen

ausgegeben werden muss. Sie bauen, um Achtung aus den

eigenen Reihen zu bekommen – nicht um dem Rest der Welt

ihren vermeintlichen Reichtum zu zeigen.

Besondere Häuser

Repräsentation – Mehr schein als Sein?

Prachtvolle Gebäude auf dem Grundstück, sandige Straßen im öffentli-

chen Raum. Den Gadje – wie Nicht-Roma in Romani heißen – sind diese

Gebäude ein Dorn im Auge. Sie können nicht nachvollziehen, woher

das Geld für derartige Gebäude stammt, und vermuten oft kriminelle

Hintergründe. (oben)

Viele der Räume bleiben nach dem Bau leer. Sie dienen meist nur reprä-

sentativen Zwecken. Nicht selten spielt sich das eigentlich Leben in

Nebengebäuden ab. (unten)

Trotzdem sind alle Räume aufwendig dekoriert. Oft wird dabei die Grenze

zum Kitsch überschritten – jedenfalls in den Augen vieler Westeuropäer.

(rechts)

Alle Bilder von Carlo Gianferro, Rom, IT – veröffentlicht in „Gypsy Architecture“, herausgegeben

von Renata Calzi und Patrizio Corno, ISBN 978-3-936681-12-3, mit freundlicher Genehmigung der

Edition Axel Menges, Stuttgart, DE.