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PORTAL
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Foto: Myrzik und Jarisch, München, DE
Frauenkirche konkurrieren könnten. Das war die Debatte
ein Jahr zuvor. Engagierte Bürger (darunter Architekten)
hatten die Zerstörung des Stadtbilds beklagt, weil man
von den Stufen der Feldherrnhalle in der Ferne den neuen
Zwillingsturm von Helmut Jahn erkennen konnte. Sie fürch-
teten, jetzt würden – wie die Türken vor Wien – Hochhäuser
ihre lieb gewonnene Stadt belagern. Ob Jahns Gebäude
gelungen ist, ob man es braucht oder ob es im Konzert
weiterer Hochhäuser der ausufernden Gewerbesteppe am
Mittleren Ring sogar eine Kontur verleihen könnte, blieb in
der Kritik sekundär. Die Gegner haben bei einer bescheide-
nen Wahlbeteiligung von 21 Prozent mit einer hauchdünnen
Mehrheit gegen Hochhäuser votiert. Der Beschluss hatte
zwar nur ein Jahr Gültigkeit, aber dem Stadtrat steckte die
Angst in den Knochen, er könnte es sich mit dem Souverän
verscherzen. Also meldete der damalige Oberbürgermeister
Christian Ude, man werde diesen Bürgerentscheid „auch
über diesen Zeitraum hinaus in allen angesprochenen
Planungsprozessen respektieren“.
Unbekannte Architektur
Ude wurde übrigens ein besonderes Interesse an der
Stadtarchitektur nachgesagt. Schon vor seinem Amtsantritt
war er ein gern gesehener Gast bei Veranstaltungen von
BDA und Architektenkammer. In dieser Zeit hat sich die
Münchner Baukultur verändert. Man muss nur einen
Architekturführer zur Hand nehmen und ins Glossar schau-
en. Dabei wird man eine erstaunliche Feststellung machen.
Ist die Bayernmetropole doch eine Architekturhauptstadt?
Die importierten Namen drängen sich wie auf einer
Buchstabiertafel der neueren Baugeschichte: Richard
Meier, Herzog & de Meuron, Gustav Peichl, Sauerbruch
Hutton, Coop Himmelb(l)au, Ivano Gianola, Baumschlager
Eberle, Helmut Jahn, Ortner & Ortner, Adolf Krischanitz,
Henning Larsen, Kuehn Malvezzi, Wandel Hoefer Lorch,
Christoph Ingenhoven, BRT, Volker Staab, Peter Kulka, die
Kahlfeldts – um nur einmal querzulesen. Aber was hilft das?
Wer kennt ihre Architektur? Wo steht sie? In München ist
die Prada-Filiale populärer.
Autor: Wolfgang Bachmann
geboren 1951 in Ludwigshafen am Rhein, DE
sammelte nach seinem Architekturstudium zunächst praktische Erfahrung
in einem Architekturbüro. Anschließend wechselte er das Metier und
wurde Redakteur bei der Bauwelt in Berlin. Später zog es ihn nach
München, wo er von 1991 bis 2011 als Chefredakteur für den Baumeister
verantwortlich und anschließend bis 2013 dessen Herausgeber war.
Er juriert, moderiert, hält Vorträge und schreibt Kritiken, Glossen und
Kurzgeschichten für Zeitungen, Magazine und Bücher.
Email:
bachmannwolfgang@gmx.deGenerationswechsel
Dabei hat sich auch unter den einheimischen Architekten ein
Generationswechsel bemerkbar gemacht. Es sind nicht mehr
die alten Leibvisagisten, die nach der Wiederaufbauphase
und dem Olympiaboom der Stadt ein Allerweltsgesicht ver-
passten. Einzelne Kollegen zu nennen ist nahezu unfair, weil
man nach Meck und Nagler wenigstens Fink + Jocher, Hild
und K, 03 architekten, bogevischs buero, Goetz Castorph,
Lauber + Zottmann oder Allmann Sattler Wappner erwähnen
müsste. Dort keimt Hoffnung! Aber ebenso lohnt ein knapper
Blick zurück auf bestimmte Typen und Rollen, um die aktuelle
Architektur in München einzuschätzen. Otto Steidle hat dem
Wohnungsbau Farbe gegeben und kommunikative, wand-
lungsfähige Typologien entwickelt. Bei Auer Weber versucht
die junge Generation (ähnlich wie Stefan Behnisch), das
flirrende Repertoire der olympischen Väter in die Gegenwart
einzuordnen. Uwe Kiessler und Thomas Herzog haben uns
technische Ästhetik gelehrt. Und ein Stephan Braunfels, in
München in erster Linie mit seiner Pinakothek der Moderne
präsent, hat mit seinen unverlangten Veduten immer wie-
der zur Diskussion beigetragen und mit seiner Intransigenz
Bauherren und Kollegen gegen sich aufgebracht. Eine
erstaunliche Wandlung zeigen dagegen Hilmer & Sattler
und Albrecht. Mit ihren frühen Bauten für Habermas, mit
Haus Herter (dem Schwabinger Tonnenhaus), Haus Moll
und ihren postmodern angehauchten Villen haben sie ein-
malige Architektur geschaffen. Dagegen schleppt sich ihr
Alterswerk ziemlich träge dahin.
Regionale Konvention
Damit schließt sich der Bogen. Es passt zu München, wo
sich selbst Häuslebauer an der Peripherie keine allzu üblen
Entgleisungen geleistet haben, weil sie stillschweigend
der regionalen Konvention folgten, dass das unauffällige
Weiterbauen bereits zur Avantgarde zählt. Meier-Scupin
demonstriert es am Dom mit den Neubauten für Hirmer
und die Münchner Bank. Diese Architektur ist unaufgeregt,
mehrheitsfähig – staatstragend. Seit ich in Rente bin, kann
ich gut damit leben.