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Die italienische Stadt Bressanone, zu deutsch Brixen, liegt

40 Kilometer nördlich von Bozen im Südtiroler Eisacktal.

Obwohl drittgrößte Stadt Südtirols, ist Brixen mit 18.000

Einwohnern eine überschaubare, verkehrsberuhigte

Kleinstadt, die aufgrund des milden Klimas und der land-

schaftlich schönen Lage vor allem durch den Tourismus

bekannt ist. Doch auch die Bildung hat in Brixen Tradition:

die hier ansässige, angesehene Theologisch-Philoso-

phische Hochschule wurde 1607 gegründet und gilt damit

als älteste universitäre Einrichtung Tirols. Seit 2001 ist

Brixen nun eine „vollwertige“ Universitätsstadt: Die erst

1997 gegründete Freie Universität Bozen eröffnete hier mit

der pädagogischen Fakultät eine neue Zweignieder-

lassung und zieht seitdem Studenten in die engen Lauben-

gassen der Altstadt.

Am Rande dieses Gassengewirrs planten und realisierten

Kohlmayer Oberst Architekten aus Stuttgart das neue

Institutsgebäude der Fakultät für Bildungswissenschaften.

Bei dem vorangegangenen Wettbewerb im November 1998

waren sie mit ihrem Entwurf als Sieger hervorgegangen.

Auf dem Gelände des Busbahnhofes, in Sichtweite der

bischöflichen Hofburg, entwarfen sie einen viergeschossi-

gen, im Grundriss quadratischen Baukörper für 1700 Stu-

denten und Lehrkräfte, der mit einer Grundfläche von mehr

als 20.000 Quadratmetern der kleinteiligen Struktur der Alt-

stadt gegenübersteht. Die fein gegliederten Fassaden des

Solitärs, die im Wechsel von Fenstern und transluzenten

Glasflächen aufgebaut sind, gliedern das massive Gebäu-

de. Tiefe Fensterleibungen und geschickte Ecklösungen

verleihen dem homogenen Baukörper mit den vier glei-

chen Ansichten Plastizität. Ein als Säulenhalle konzipiertes

Erdgeschoss überwindet den Maßstabssprung zwischen

Gebäude und Umgebung, indem es sich zur Stadt hin öff-

net und neben Studenten auch Passanten ins Innere zieht.

Im Innern gliedert sich der Neubau in zwei Volumen –

einen Kern, in dem sich die stark frequentierten und teil-

weise öffentlichen Räume wie Foyer, Hörsäle, Aula und

Bibliothek befinden, und einen umlaufenden Ring, in dem

die Seminarräume und Verwaltungsbereiche liegen. Wäh-

rend der Kern das kommunikative Zentrum des Gebäudes

bildet, strahlen die Räume im äußeren Ring eine ruhige,

konzentrierte Atmosphäre aus. Lediglich die vielfältigen

Aussichten über Stadt und Berglandschaft, eingerahmt

von den Kastenelementen der Fassade, können hier die

Studenten von ihrer Arbeit ablenken. Erschlossen wird

dieser Bereich über einen den Kern umlaufenden, gläser-

nen „Kreuzgang“, der interessante Einblicke auch in die

vier Innenhöfe bietet. Im Zentrum des Gebäudes liegt das

großzügige, zweiläufige Treppenhaus, von dem aus Flure

kreuzförmig die Etagen erschließen. Oberlichter und trans-

luzente Glaswände lassen Tageslicht weit ins Gebäude-

innere fallen und illuminieren diese Erschließungsgassen.

Die Last der Betondecken wird über vier massive Treppen-

türme an den Gebäudeecken und wenige in den Trenn-

wänden versteckte schlanke Stützen abgeleitet. So lassen

sich die Seminar- und Verwaltungsräume im äußeren

Gebäudering frei unterteilen und auch die Fassade konnte

leicht und filigran detailliert werden. Zwei großzügige

Dachterrassen im dritten Obergeschoss bilden einen Ort

der Ruhe inmitten des Betriebes – umrahmt von dem

äußeren Gebäudering lassen sie lediglich den Blick auf

die umgebenden Gebirgszüge frei.

Auf den ersten Blick erscheint das neue Institutsgebäude der bildungswissenschaft-

lichen Fakultät in Brixen recht nüchtern inmitten der heterogenen Altstadt. Betritt

man jedoch das von Kohlmayer Oberst Architekten entworfene Gebäude, entdeckt

man durchaus Bezüge zur Nachbarschaft. Das vielfältige Innenleben hat mit seinen

„Gassen“ und „Plätzen” tatsächlich Ähnlichkeit mit einem städtischen Gefüge.

Universität in Brixen