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IM WENDEKREIS DES AUTOS:
DAS AUTOMOBILE JAHRHUNDERT IN DER ARCHITEKTUR
herum und benötigt Platz, und den nicht zu knapp, wenn
man Zu- und Abfahrten hinzurechnet. Für den Wohnbau ste-
hen grundsätzlich je nach Lage und Situation oberirdische
Stellplätze, eingeschossige Garagen, halbversenkte Park-
paletten, Tiefgaragen oder mehrgeschossige Parkhäuser zur
Auswahl. Einfamilienhausbesitzer lassen sich meist Garagen
oder offene Carports errichten. Letztere finden in Europa
jedoch noch immer wenig Anklang. Fast durchweg Häuser
mit Carports umfasste dagegen das Case Study House
Programme, das in den 1950er-Jahren in den USA eine faszi-
nierende Serie von Experimentalhäusern hervorgebracht
hat. Eine so starke Nahebeziehung zum parkenden Auto wie
im 1958 entstandenen Case Study House No.21 von Pierre
Koenig, in dem es vom Essplatz aus durch raumhohe Fenster
betrachtet werden kann, war jedoch auch hier selten.
Schwierig wird es, wenn Garagen in Reihenhäuser einge-
baut werden sollen. Durch deren geringe Breite geht dabei
fast das halbe Erdgeschoss verloren. Bei den von Mart Stam
1937 entworfenen „Drive-in-Woningen“ in Amsterdam blieb
lediglich ein „Gartenzimmer“ übrig. Das 1. Obergeschoss
musste eine extra Freitreppe bekommen, um überhaupt
noch direkt mit dem Garten in Kontakt treten zu können.
Bei der Planung von Siedlungen stellt sich die Frage, wie
lang die Wege zwischen Parkplatz und Haus sein dürfen, die
den Bewohnern zuzumuten sind. Grundsätzlich kann der
Planer die Wahl entweder periphere Sammelparkplätze oder
-garagen vorsehen, die von allen Häusern mehr oder weni-
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ger weit entfernt liegen, oder er entscheidet sich dafür, die
Autos in die Anlage hineinfahren zu lassen und muss Park-
möglichkeiten direkt in den oder im Nahbereich der Häuser
einplanen. In beiden Fällen sind jedoch für die Feuerwehr
befestigte Fahrstraßen zu den Häusern notwendig.
Das Auto als entwurfsbestimmender Faktor
Ein Weg aus dem Dilemma scheint im seit 2001 entwickelten
Projekt Roof Road NT von NL Architects gefunden worden
zu sein. Wie schon zuvor bei Le Corbusiers Stadtplanungs-
projekten für Algier und einer aus dem England der 1960er-
Jahre stammenden Studie von G.A.Jellicoe mit dem vielsa-
genden Titel „Motopia“ werden Straße und Parkplätze auch
bei dieser Reihenhausanlage auf das Dach verlagert.
Dadurch lassen sich bis zu einem Drittel der Gesamtfläche
einsparen. Lediglich notwendige Rampen kommen zur
bebauten Fläche hinzu. Über die hinzugewonnenen Frei-
flächen kann frei verfügt werden.
In dicht bebauten Städten wird die Sache schwieriger. Die
meisten Stadtverwaltungen haben Bauordnungen erlassen,
die zumindest einen Stellplatz pro Wohnung für Neubauten
vorschreiben. Innerstädtische Lagen machen Tiefgaragen
unter dem Haus meist unvermeidbar. Dabei die konstrukti-
ven Erfordernisse beider Nutzungen aufeinander abzustim-
men liegt am Geschick des Planers. Jean Nouvel löste die-
ses Problem bei seinem radikalen Wohnbauprojekt Nemau-
sus in Nimes, 1987, indem er die Gebäude auf Stützen stellte
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Vision eines Kleinwagens (in Magenta) und RIchard Buckminster Fullers
„Dymaxion Car (in Blau)
Unten: Das Case Study House No. 21 von Pierre Koenig (links) bot freien
Blick vom Essplatz auf das Auto des Bauherren. Das Projekt „Roof Road NT“
von NL Architects (rechts) sieht Parkflächen auf den Dächern der Wohn-
bauten vor.
Zeichnung: NL Architects, Rotterdam