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Drei Möglichkeiten, das Auto im oder unter dem Haus unterzubringen: In

Bertrand Goldbergs „Marina City“ in Chicago (links) dienen die untersten

15 Geschosse als Parkebenen. Bei Jean Nouvels Projekt „Nemausus“ in

Nimes (Mitte) parken die Autos ebenso unter dem aufgeständerten

Gebäude, beim Mini-Haus von Atelier Bow-wow in Tokio (rechts) unter

einem auskragenden Erker.

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und die Autos darunter offen stehen lässt. Die Parkebene ist

dabei etwa um ein halbes Geschoss nach unten vertieft, so

dass eine Art „Löwengrube“ entsteht, man jedoch von der

Straße aus über die Dächer der Autos hinwegsehen kann

und das Erdgeschoss dadurch optisch frei bleibt.

Das wohl spektakulärste Beispiel einer Integration von Park-

plätzen ins Gebäude sind die beiden 1963 von Bertrand

Goldberg entworfenen Wohnhochhäuser der Marina City in

Chicago. 15 „Wendelgeschosse“ schrauben sich um die

Aufzüge und Stiegen enthaltenden Kerne der beiden zylin-

drischen Wohntürme nach oben und nehmen jeweils bis zu

32 Stellplätze auf. Die Autos stehen in Senkrechtaufstellung

und fahren im Gegenverkehr auf und ab. Zur Bedienung ist

allerdings Personal erforderlich. Oberhalb der Parkebenen

folgen eine Installationsebene und schließlich 40 Geschosse

mit tortenstückartig angeordneten Wohnungen.

Angesichts zunehmender Umweltbelastungen durch den

nach wie vor ungebremsten Individualverkehr werden For-

derungen nach autofreiem Wohnen immer häufiger. Dies

scheint jedoch nur bei einem gleichzeitigen Stadtumbau

denkbar, angefangen von einem viel effizienteren öffentli-

chen Nahverkehr bis zur Wiederherstellung eines dezentra-

len Versorgungsnetzes. Die Mieter der 1999 am Stadtrand

von Wien von den Architekten Cornelia Schindler und Rudolf

Szedenik geplanten „Autofreien Mustersiedlung“ verpflichte-

ten sich nach vorangegangener Teilnahme an einem

Partizipationsprozess, auf den Besitz und die Nutzung eines

Autos zu verzichten. In diesem Projekt mussten Stellplätze

nur im Verhältnis 1:10 errichtet werden, die dann als Car-

Sharing-Station Verwendung fanden. Die frei gewordenen

Mittel wurden für Gemeinschaftseinrichtungen und einen

großzügigen Grünraum umgewidmet. Der so entstandene

Mehrwert sollte den Verzicht auf das Auto erleichtern helfen.

Es scheint an der Zeit zu sein, das Auto als das zu betrach-

ten, was es letztendlich ist (nämlich ein notwendiges Übel),

und ihm genau jenen Platz zuzuordnen, den es auch wirklich

benötigt – nicht mehr und nicht weniger. Nach Extrem-

beispielen in beide Richtungen, wie der „Autofreien Muster-

siedlung“ einerseits und dem Projekt Roof Road NT von NL

Architects andererseits, wäre da nicht gerade das von

Atelier Bow-wow 1998 geplante Mini Haus in einem Tokioter

Vorort für einen entspannteren Umgang mit dem Thema

Automobil richtungweisend? Es besitzt nämlich einen Erker,

der genau jenen Vorsprung hat, unter dem der grüne Mini-

Cooper des Besitzers Platz findet – nicht mehr und nicht

weniger.

Foto: Atelier Bow-wow, Tokio