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PORTAL:
Was genau fiel Ihnen beim Bau des Olympia-
stadions auf, was Ihnen im Alltag verwehrt blieb?
ANDREAS WANNENMACHER:
Es fehlt in der Regel noch die
hohe handwerkliche Qualität und das konstruktive Know-
how. Besondes auffällig zeigt sich das in der Dimensio-
nierung der tragenden Bauteile. Die Stützen in der von uns
geplanten Halle wurden doppelt so dick berechnet, als sie
unsere Tragwerksplaner in Deutschland grob überschlagen
hatten. Da fallen Sie schier vom Hocker! Zwar man muss
berücksichtigen, dass das Gebiet um Tianjin erdbebenge-
fährdet ist. Das allein aber ist nicht der Grund. Die Masse
der Ingenieure ist einfach noch nicht so weit, schlanke
Konstruktionen zu berechnen. Diesen Weg muss China
noch gehen.
PORTAL:
Wie unterscheidet sich die chinesische Bauord-
nung von der deutschen?
ANDREAS WANNENMACHER:
Es gibt sehr strenge Bauvor-
schriften. Ich behaupte sogar, dass die Reglementierungen
viel stärker sind als bei uns in Deutschland. Der bürokrati-
sche Aufwand bis zum Bauantrag ist um einiges aufwendi-
ger. Zunächst muss eine Genehmigung eingeholt werden,
um das Grundstück überhaupt bebauen zu dürfen, dann
wird der Vorentwurf begutachtet. Erst wenn der genehmigt
ist, kann der Bauantrag gestellt werden.
PORTAL:
Und wie steht es mit der Sicherheit auf chinesi-
schen Baustellen?
ANDREAS WANNENMACHER:
Auch da gibt es Gesetze, die
PORTAL:
Inwieweit können Sie die Erfahrungen der
Schweizer Architekten bestätigen?
ANDREAS WANNENMACHER:
Da muss man deutlich unter-
scheiden zwischen der Aufgabe, die das Büro vonHerzog
& de Meuron zu bewältigen hatte, und unserem profanen
Bau einer Produktionshalle. Das Olympiastadion war ein
enorm prestigeträchtiges Projekt, vom Staat finanziert,
während das Werksgebäude durch einen deutschen Bau-
herrn angestoßen wurde. Für das Gelingen des Stadions
sind alle nur erdenklichen Anstrengungen vonseiten der
Chinesen aufgebracht worden. Entsprechend groß waren
die Ambitionen beziehungsweise die Motivation und natür-
lich auch die Verantwortung der Planenden.
PORTAL:
Aber ist der Baualltag nicht unabhängig vom
Prestige?
ANDREAS WANNENMACHER:
Eigentlich schon, aber ich
habe festgestellt, dass bei öffentlichen Gebäuden technisch
vieles möglich ist, was bei Alltagsaufgaben gerne mit der
Begründung abgewiesen wird, das kriegen wir nicht hin,
das können wir in China noch nicht. Die Eröffnungsfeier der
Olympischen Spiele jedoch zeigte der ganzen Welt in aller
Deutlichkeit, wozu China in der Lage ist. Darauf angespro-
chen, sagte mir ein chinesischer Kollege, dass in die
Olympiade alle Kraft investiert wurde und nur die talentier-
testen Ingenieure des Landes dort gearbeitet hätten. Das
sei in diesem riesigen Land noch keineswegs Standard.
Darin liegt sicher der große Unterschied zu Europa.
Spätestens seit den Olympischen Spielen in Peking im August 2008 wissen wir sehr
viel genauer, was es für europäische Architekten heißt, in einem asiatischen Land
zu arbeiten. Das Schweizer Architektenduo Herzog & de Meuron hat in seinem Film
„Bird’s Nest“ das Zusammentreffen zweier ganz unterschiedlicher Kulturen beim
Bau des von ihnen entworfenen Olympiastadions in allen Facetten dokumentiert.
Andreas Wannenmacher, Partner im Büro Wannenmacher + Möller, hielt sich zur
selben Zeit in China auf. In Tianjin baute er eine Produktionshalle für Hörmann.
PORTAL IM GESPRÄCH
MIT ANDREAS WANNENMACHER