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faches und verleiteten die risikofreudigen Iren zur Kredit-
aufnahme im großen Stil. Sie lebten mit Lust über ihre Ver-
hältnisse und investierten mit Vorliebe in Immobilien. Im
Gegensatz zu den grummelnden Deutschen freuten sie sich
am Leben und feierten, die Pubs waren voll – eine unwi-
derstehlich anziehende Atmosphäre für frisch gebackene
Diplomanden der Architektur. Doch leider ist heute, wie
man weiß, auch der „keltische Tiger“, wie der irische
Wirtschaftsboom betitelt wurde, inzwischen zum zahmen,
zahnlosen Kätzchen geworden. Wohin jetzt? Die „Banken-
krise“ scheint der sich immer schneller drehenden Bau-
und Immobilien-Spirale ein Ende bereitet zu haben. Stehen
weltweit die Kräne still? Einige der Kollegen sind inzwi-
schen bis nach Australien geflüchtet. Noch schwärmen sie
vom Klima, ja, und die Arbeitsatmosphäre sei wunderbar, so
effizient und doch so locker. Doch wie lange wird es dau-
ern, bis sich die Krise auch dort bemerkbar macht? Oder
braucht etwa Indien Architekten? Oder beginnt sich inzwi-
schen die wirtschaftliche Lage in den USA zu erholen?
Natürlich sind einzelne Architekten auf Arbeitssuche fle-
xibler als Büros, die nach neuen Standorten suchen. Denn
man muss sich mehrere Monate, zumindest die berühmten
100 Tage, in einem Land aufhalten und viele Gespräche
führen, um zu verstehen, wie der Hase wirklich läuft. Das
Risiko ähnelt ein wenig dem an der Börse: Wenn auf dem
Parkett bekannt wird, dass eine Aktie läuft, steigen die
Profis schon wieder aus. Übertragen heißt das, wenn alle
Unter den jungen Architekten gibt es risikofreudige und
abenteuerlustige. Ihr Motto: den Kränen folgen. Sie sind in
den frühen 80er-Jahren nach England ausgewandert und
haben dort Arbeit gefunden, es lockten der Bauboom und
große Namen wie Richard Rogers, Norman Foster und
Nicholas Grimshaw. Bis es Ende der 80er-Jahre auf der Insel
zu einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch kam.
Macht nichts, die Zugvögel sind weiter nach Spanien gezo-
gen; in Spanien entstand aufregend neue Architektur, dort
konnte man begabte Entwerfer brauchen. Der spanische
Boom hielt sogar bis Mitte letzten Jahres an. Ebenso der iri-
sche: Die grüne Insel erlebte einen beispiellosen
Wirtschaftsaufschwung, der dieses bis dato ärmste Land der
Europäischen Union innerhalb von eineinhalb Jahrzehnten zu
einem der reichsten machte. Auch dort hat man auf einmal
viele deutsche Architekten angetroffen, aber nicht nur sie,
viele kamen aus Polen, Australien und sogar Indien.
Im Westen
Zu Hause in Deutschland war es eng geworden in der Bau-
zunft. In der Bundesrepublik sei alles gebaut, hieß es –
was blieb, waren Sanierungs- und Erweiterungsaufgaben.
Dagegen gab es in Irland einen großen Nachholbedarf an
Wohnungen, Gewerbebauten und Bürohäusern. Die Dock-
lands in Dublin entwickelten sich von einer maroden Indus-
trie- und Hafenbrache zum belebten, attraktiven Wohn-
und Arbeitsgebiet. Die Hauspreise stiegen um ein Viel-
Junge Architekten lernen, dass das Land, in dem sie ausgebildet werden, keines-
wegs mehr eine Arbeitsgarantie auf Lebenszeit geben kann. Die Verflechtungen inter-
nationaler Märkte bestimmen mehr und mehr, wo es etwas zu tun gibt. Da hilft nur,
der Arbeit zu folgen, will man in seinem Beruf erfolgreich sein oder bleiben. Diese
Reise führt oft an abenteuerliche Orte und erfordert viel Pioniergeist, wie das
Beispiel Bukarest, Rumäniens Hauptstadt, zeigt.
ARCHITEKTEN AUF WANDERSCHAFT
WIE DIE BAUKRISE AUS ARCHITEKTEN INTERNATIONALE
NOMADEN MACHT