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und nur freie Bürger in den Genuss der Bildung kamen –

das Privileg einer Minderheit. Bildung als Instrument zur

Formung eines Menschen, der die Ideale dessen vertritt,

der die Bildungseinrichtung geschaffen hat – das gilt für

alle schulischen Institutionen, vom mittelalterlichen Kloster

bis zur heutigen Schule. „Wer zahlt, schafft an“ gilt auch

heute noch und besonders im Bildungswesen. Staatliche

Bildung diente und dient dem Staat. Sicher ist es verkürzt

zu behaupten, die im 19. Jahrhundert durchgesetzte Schul-

pflicht mit der Aufgabe, alle das Lesen und Schreiben zu

lehren, sei nur das Ergebnis der Sorge, die zukünftigen Sol-

daten könnten sonst nicht die Gebrauchsanweisung ihres

Sturmgewehres lesen. Aber genauso falsch wäre die An-

nahme, die allgemeine Schulpflicht sei ein zweckfreies

Ergebnis staatlicher Fürsorge.

Betrachten wir Dorfschulen aus der Mitte des 19. Jahr-

hunderts: Sie gingen als Zwergschulen in die Geschichte

ein, weil Schüler unterschiedlichen Alters in einem Raum

versammelt waren, die Mädchen am Rand sitzend, ohne

Schreibpult. Der Lehrer wusste sich offenbar nur mithilfe

einer Rute durchzusetzen; Intelligenz war nicht gerade

seine Stärke. Von Pädagogik verstand er ebenso wenig,

schien nur den Drill nach militärischem Vorbild zu kennen.

Dem diente auch die gezielt geförderte Kluft zwischen

Gymnasiallehrer und Volksschullehrer, nachdem 1826 für

Erstere das Universitätsstudium vorgeschrieben wurde,

Letztere in Seminaren ausgebildet wurden. In den Städten

FREUNDLICHE LEHRMEISTER

WIE SICH SCHULREFORMEN AUF DIE ARCHITEKTUR AUSWIRKEN

Die „Petersschule“von Hannes Meyer, 1926 für Basel ent-

worfen, aber nie realisiert, stellt auch heute die modernste

Art eines Schulgebäudes dar: innerstädtische Lage, kom-

pakte Bauform und Pausenhöfe, die ebenerdig keine zu-

sätzlichen Flächen benötigen, sondern mehrgeschossig als

„hängende Gärten“ und auf dem flachen Dach angeordnet

sind (Letzteres würde wohl heute aus Sonnenkollektoren

bestehen). Merkwürdig aber, dass sich auch die Strenge

der Klassenräume der Petersschule heute in den meisten

Neubauten wiederfindet, sodass man sich fragt, ob deren

auf Frontalunterricht ausgelegte Form der oft zitierten For-

derung gerecht wird: „der dritte Pädagoge ist der Raum“.

Wenn das stimmt – die beauftragenden Behörden müssen

es schließlich wissen –, wären dann Ordnung und Strenge

immer noch ein pädagogisches Ziel?

Das Wort „Schule“ stammt aus dem Griechischen und be-

deutet „Muße“. Die antiken Griechen verstanden unter

Muße nicht etwa „Nichtstun“, sondern eine zweckfreie,

aber aktive Beschäftigung mit Dingen des Geistes, wie sie

einer kleinen Elite anstand. In den ersten Jahren der Er-

ziehung haben sportliche und musische Disziplinen über-

wogen; Lesen, Schreiben und Rechnen aber waren Voraus-

setzung für eine Weiterbildung in den „sieben freien Küns-

ten“ oder gar für die Erziehung durch einen der großen

Philosophen. Schon zu jener Zeit aber diente die Schule

nicht dem individuellen Vergnügen oder der intellektuellen

Spielerei, sondern dem Staat. Weshalb auch nur Männer

Schule ist nach wie vor mit der Verpflichtung verbunden zu lernen. Aber das Lernum-

feld heutiger Schüler hat sich gegenüber früher entscheidend verändert. Nicht nur,

dass Zucht und Ordnung lehrende Autoritäten nicht mehr mit dem Rohrstock drohen,

auch die Schulgebäude selbst haben sich in helle, farbenfrohe Unterrichtseinheiten

verwandelt, in denen sich junge Menschen gerne aufhalten. Der lange Weg des

Lernens bis zu den heute gültigen Schulformen aber war und wird immer noch von

vielen politischen Einflüssen und Diskussionen begleitet.

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