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Pausenhof des Marie-Curie-Gymnasiums in Dallgow-Döberitz, 2005 von
den Berliner Architekten Grüntuch & Ernst gebaut.
1964 hatte der Bildungsplaner Georg Picht mit dem Schlag-
wort von der „Bildungskatastrophe“ die Kritik auf den
Punkt gebracht. Gemeint war damit, dass die geringe
Zahl von Akademikern dazu führen könnte, dass die Bun-
desrepublik im Vergleich zu anderen Industrienationen im
Wissenschaftsstandard zurückbleiben und damit im öko-
nomischen Wettbewerb langfristig unterliegen würde –
eine Diskussion, die heute aktueller denn je ist. Studieren
aber war in der Bundesrepublik bis Ende der 60er-Jahre
weitestgehend noch immer ein Privileg des Bildungsbür-
gertums; der Studentenanteil aus Arbeiterfamilien war
äußerst gering.
Die Gesamtschule sollte der Transmissionsriemen der bil-
dungspolitischen Umwälzung werden; sie wurde zum In-
begriff fortschrittlicher Pädagogik, und die Architekten
waren ihre Propheten. Aber was in der „wilhelminischen
Schule“ noch möglich war, nämlich ein einheitlicher Typus,
ein einheitlicher Ausdruck der intendierten Pädagogik im
Bau, das gelang nicht mehr. Auf der einen Seite standen
die aus pädagogischen Überlegungen heraus entwickelten
groß angelegten Schulen meist am Stadtrand: Flexibel und
variabel sollten sie sein, „Team-Teaching“ erlauben und
mit Sprachlaboren ausgestattet sein – Schulen als techni-
sche Maschinen. Auf der anderen Seite entstanden
Schulen, wie sie Günter Behnisch zum Beispiel in Lorch
baute: Häuser, die gleichzeitig „freundliche Lehrmeister“
waren. Dieser Widerspruch besteht größtenteils heute
noch: Die überwiegend von Schülern selbst gestaltete
Gesamtschule von Peter Hübner in Gelsenkirchen (2004)
steht dem Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz
(2005) von den Berliner Architekten Grüntuch & Ernst dia-
metral entgegen. Die beiden Bauten entsprechen einer
polyzentralen Gesellschaft, die nicht auf einen Stil festzule-
gen ist. „Staatliche Bildung diente und dient dem Staat und
damit der Gesellschaft“, wurde eingangs gesagt. Unter die-
sem Aspekt hat die heutige Vielfalt eine Qualität.
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Foto: Werner Huthmacher, Berlin