Background Image
Previous Page  5 / 36 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 5 / 36 Next Page
Page Background

GERT KÄHLER

geboren 1942 in Hamburg

1962 – 69 Architekturstudium an der

Technischen Universität Berlin

1981

Promotion

1985

Habilitation

seit 1988 Als freiberuflicher Journalist und

Wissenschaftler tätig

Zahlreiche Veröffentlichungen zu den

Themen Stadt und Architektur des 20.

Jahrhunderts, u.a. in der „Zeit“, Frank-

furter Allgemeinen Zeitung, Süddeut-

schen Zeitung und in Fachzeitschrif-

ten. Mitherausgeber und Autor zahl-

reicher Bücher, u.a. der fünfbändigen

„Geschichte des Wohnens“ und

„Schulen in Deutschland“

gab es immerhin ein System höherer Schulen mit Vorschu-

len zur Vorbereitung, ein Angebot an Privatschulen und die

Ritterakademien für die Ausbildung junger Adliger. Die

weniger vermögenden Bevölkerungsschichten konnten

Armenschulen besuchen, die ihnen ein Minimum an Wis-

sen vermittelten. Den Mädchen aber blieb der höhere

Bildungsweg weiterhin verschlossen.

Erst mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 erga-

ben sich grundsätzliche Veränderungen. Die „wilhelmini-

sche Schule“ ist als Begriff noch heute geläufig, sowohl

als Bau wie auch als Institution (nachzulesen in „Die Bud-

denbrooks“ von Thomas Mann). Mit der Trennung von

Kirche und Staat in Preußen 1872 wurde die Volks- und

Mittelschulausbildung gestärkt. Land und Stadt sollten sich

im Schulniveau angleichen. 1888 wurde die Schulgeldfrei-

heit in den Volksschulen realisiert – was jedoch noch nicht

für die höheren Schulen galt. Der scheinbar einleuchtende

Grundsatz, wer viel Bildung verlange, müsse dafür auch

viel zahlen, führt zwangsläufig zu Bildung nach Einkommen,

nicht unbedingt nach Fähigkeit.

Entsprechend der wachsenden Bevölkerung jener Jahre

wurden im Land viele Schulen gebaut – jedoch mit klarer

architektonischer Unterscheidung nach den Bevölkerungs-

schichten; die Volksschulen wurden eher spärlich, die Gym-

nasien dagegen reichlich geschmückt. Scheinbar fing der

Mensch erst jenseits der mittleren Reife an, wer zu sein.

Die wachsende Industrialisierung allerdings forderte mehr

und mehr grundlegende Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben

und Rechnen. Damit wurde zwar das Volksschulniveau ge-

hoben, nicht aber die gesellschaftliche Chancengleichheit.

Durchlässigkeit war nicht im System vorgesehen: Bürger

und Arbeiter wurden als zu trennende, unterschiedliche

Wesen betrachtet. Heute verläuft die Grenze eher zwischen

Besser- und Schlechterverdienenden. Der architektonische

Ausdruck besonders der Volksschulen legte damals eher

den Vergleich mit Kasernenbauten nahe. In diesen Schulen

bildeten Ordnung, Disziplin, Strenge und Sauberkeit die

Maxime des Unterrichts – und das bei bis zu 70 Kindern in

einer Klasse. Die Schüler kamen zu großen Teilen aus dem

Proletariat, das hieß aus katastrophalen Wohnverhältnissen

mit unzulänglichen hygienischen Bedingungen. Die Schule

galt als Anstalt zur Erziehung staatstreuer Bürger. Wilhelm

II. verordnete ihr 1889 die Aufgabe, „der Ausbreitung sozia-

listischer und kommunistischer Ideen entgegenzuwirken“

Foto: Schweger Architects, Hamburg

Die Schule Mümmelmannsberg in Hamburg ist in ihrer architektonischen

Ausdrucksform ein typischer Schulbau aus den 60er-Jahren.

5