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Verhältnissen, ganze Familien teilten sich einzelne Zimmer. In

Berlin errichteten Menschen ohne Wohnung sogar kleine

Lauben in den Hinterhöfen der großen Wohnblocks. Hausein-

gänge und Höfe wurden zu Lebensräumen, in denen Kinder

spielten und Erwachsene sich trafen. Die Haustüre grenzte zu

dieser Zeit – im Gegensatz zu heute – also meist nicht Indivi-

dualbereiche gegen einen öffentlichen Raum ab, sondern

lediglich das Gebäudeinnere vom Außenbereich. Gewohnt

aber wurde auf beiden Seiten. Die Schutzfunktion der Türe

war eine andere als heute; Haustüren hatten daher meist

auch außen eine Klinke und nicht wie heute einen Knauf.

Meist wurde der Eingang durch Architekturelemente wie

Treppen, Halbsäulen und Architrave betont. Türen des 19.

Jahrhunderts waren in der Regel streng symmetrisch, und

ihre Oberfläche durch Friese in kleine Felder unterteilt, da die

Materialien für Füllungen – Glas wie Massivholz – noch keine

großen Flächen erlaubten. Dafür besaßen die Türen einen

hohen Variantenreichtum in Flächengliederung, Profilierung

und Ornamentik. Dekorelemente lenkten zwar die

Aufmerksamkeit auf sich, ließen aber den konstruktiven

Aufbau der Tür sichtbar. Die komplette Konstruktion war

innen wie außen für jedermann nachvollziehbar.

Standardisiert, rationalisiert, aufgeräumt: Die 20er-Jahre

Nach dem ersten Weltkrieg galt es, die Wohnungsnot zu lin-

dern. Zugleich setzte sich der Anspruch durch, soziale

Konzeptionen in die Realität umzusetzen. Lebensqualität

VERSCHLUSSSACHE UND VISITENKARTE:

DIE HAUSTÜR IM WANDEL DER ZEITEN

Die Haustür führt in der Architektur ein Doppelleben: Sie soll

Schutz bieten vor unerwünschten Besuchern. Dafür setzen

wir massive Konstruktionen und ausgefeilte Technik ein.

Einbruchsicherheit ist ebenso gefragt wie Schutz vor Hitze,

Lärm und Staub. Dabei ist die wesentliche Aufgabe der

Haustüre eigentlich eine Ventilfunktion: Sie sitzt in der wich-

tigsten Öffnung des Hauses; Besitzer, Bewohner und Besu-

cher gehen hier ein und aus, Katze und Kinderwagen, Sofa

und Saftflaschen werden durchtransportiert.

An älteren, großbürgerlichen Häusern sind häufig noch als

Portal gestaltete Haupteingänge mit Treppe und Vordach zu

sehen. Ihre Erbauer wollten den Eintritt in das Haus zelebrie-

ren können: Wer das Portal durchschritt, hatte zumindest

einen gewissen Status – der Nebeneingang war dem

Personal vorbehalten oder ermöglichte bei Bedarf das dezen-

te, schnelle und möglichst unbemerkte Verlassen des Hauses.

So viel Aufwand ist heute offensichtlich nicht mehr notwen-

dig, offene Hintertürchen sind seltener geworden. Dennoch

ist eine Haustür im Empfinden ihrer Besitzer und Benutzer

noch immer mehr als ein reines Funktionsbauteil: Ihr reprä-

sentativer Charakter ist geblieben.

Ein Leben vor der Tür am Ende des 19. Jahrhunderts

Die Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts veränderte

wesentlich die Wohnstruktur. Eine riesige Bevölkerungsver-

lagerung vom Land in die Großstädte fand statt. In den

Zentren wohnten abertausende Menschen in beengten

Haustüren gehören zu den vielseitigsten Bauteilen jedes Wohnhauses: Sie sollen

Besucher anziehen und unerwünschte Eindringlinge fernhalten. Früher repräsentier-

ten sie den Status des Hausbesitzers, heute dokumentieren sie eher dessen persönli-

chen Geschmack. Der folgende Exkurs in die Geschichte der Haustür zeigt: Die

Gestaltungsfreiheit hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weiter vergrößert

– und sollte auch künftig von Architekten und Herstellern ernst genommen werden.