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Fotos: Jakob Schoof

Von nüchtern bis verspielt – und wieder zurück: Haustür von Mies van der Rohe in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung (links), Haustür der 80er-Jahre

(Mitte) und Hörmann-Haustür Motiv 75 A von 2007 (rechts)

den abgesperrte Materialien für Füllungen zur Verfügung. Der

Aufwand für die Rahmenkonstruktion konnte dadurch zurück-

genommen werden, die Zahl der Friese wurde kleiner, die

Füllung konnte großflächiger werden und wurde nun selbst

zum Gestaltungsmerkmal. In manchen Türen wurden die

Friese zu schmalen Stegen, wurden durch senkrechte oder

waagrechte Wiederholung zum Motiv oder halfen, durch ein

extremes Verhältnis von Höhe zu Breite eine optische Span-

nung aufzubauen.

Die Grundkonstruktion mit einem Schild versehen

Fast die Hälfte aller heute in Deutschland genutzten Wohnun-

gen wurden zwischen 1949 und 1978 gebaut. Der enorme

Bedarf an neuem Wohnraum machte in der Nachkriegszeit

auch eine wirtschaftliche Türenherstellung erforderlich. Die

in den 20er-Jahren entwickelten Konzepte für die Architektur,

Standardisierung und Typisierung, setzten sich endgültig

durch. Gleichzeitig änderte sich in den 50er-Jahren die

Haltung vieler Menschen: Die Privatsphäre gewann an

Bedeutung, die Familie sollte ungestört leben können,

Individualität trat an die Stelle früherer Ideale sozialer

Gemeinschaft. In der Architektur drückte sich das durch

die Tendenz zum Einfamilienhaus aus. Je mehr aber Haus

und Wohnung zum Rückzugsort und zum Ausdruck von

Individualität werden, desto weniger möchte man sich von

außen hineinschauen lassen. Lichtöffnungen in Türen verlo-

ren daher an Attraktivität, und grafische Motive auf aufgedop-

pelten

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Türen traten an ihre Stelle. Gleichzeitig wurden die

Eingangstüren zunehmend in Türelemente integriert, die eine

stattliche Breite aufweisen konnten.

Gestalterisch lösten sich die sichtbaren Teile zunehmend von

der Grundkonstruktion. Die Anordnung der Bretter und Platten

konnte nach geometrischem Belieben erfolgen, ihre Dimen-

sionen hatten kaum mehr eine statische Relevanz. Fassten

bei der Rahmentüre die äußeren Friese alle Gestaltungs-

elemente zusammen, so verschwand bei den neuen, aufge-

doppelten Türen auch diese Umfassung. Als Oberflächen

kamen Bleche, Gläser, Kunststoffe und polymer gebundene

Werkstoffe wie Varicor und Corian zum Einsatz.

Waren in der Nachkriegszeit neue Siedlungen noch verhält-

nismäßig überschaubar, so wurden in den 60er- und 70er-

Jahren Trabantenstädte für mehrere tausend Bewohner

gebaut. Neben die Haustüre trat damit die Wohnungs-

eingangstüre als abschließendes Bauteil. Sie hatten unter-

VERSCHLUSSSACHE UND VISITENKARTE:

DIE HAUSTÜR IMWANDEL DER ZEITEN

Anmerkungen im Text:

1) Kristina Hartmann: Alltagskultur, Alltagsleben, Wohnkultur, Geschichte des

Wohnens, Band 4, S. 246. DVA

2) Aufdoppelung: Auf einer Grundkonstruktion aus Brettern oder auf eine

Rahmenkonstruktion wird eine zweite Ebene, üblicherweise aus Brettern,

aufgebracht. Sie lässt sich weitgehend unabhängig von der Grundkonstruk-

tion gestalten. Bei ganz frühen aufgedoppelten Türen aus dem 16./17.

Jahrhundert lässt sich noch aus der Nagel-/Schraubenanordnung die sich

dahinter verbergende Konstruktion ablesen, bei späteren nicht mehr.